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Editorial: "Wer will noch mal, wer hat noch nicht"

10 Jahre Telekom-Börsengang und die schwere Suche nach dem Erfolg
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Runde Jahreszahlen sind gute Anlässe zum Feiern. Doch bei der Deutschen Telekom dürfte trotz des zehnjährigen Jubiläums des Börsengangs den meisten derzeit nicht dazu zumute sein. Gerade wurde der Chef ausgewechselt, wie schon sein Vorgänger vor gut vier Jahren wegen Erfolgslosigkeit.

Nun tritt René Obermann, bisheriger Chef der Mobilfunk-Sparte T-Mobile, die schwierige Nachfolge an. Auch Herr Obermann kann nämlich nichts gegen die unternehmerische Zwangsjacke der Regulierung seiner Dienste unternehmen. So lange die Deutsche Telekom eine marktbeherrschende Stellung hat, wird sie Wettbewerbern bestimmte Vorleistungen zu einem deutlichen Abschlag auf den eigenen Endkundenpreis anbieten müssen. Und so lange werden sich die Wettbewerber ins mehr oder weniger "gemachte Bett" setzen und mit der Arbitrage gut verdienen.

Erst dann, wenn die Wettbewerber so groß und dick geworden sind, dass sie mit der Telekom auf Augenhöhe agieren können, wird die Regulierung enden. Um diesen Punkt zu erreichen, müsste die Telekom in Deutschland weiter massiv Marktanteile verlieren. Eine Option, die sie nach dem Auftrag der Eigentümer nicht hat - diese wollen mit ihren Aktien schließlich Geld verdienen, und das geht nur über steigende Umsätze, nicht über fallende.

Politik versus Unternehmensinteressen

Andererseits ist es unabdingbar, dass die Politik, allen voran die Europäische Union, weiterhin auf die Regulierung der Monopolisten und die damit einhergehende Deregulierung des Marktes besteht. Die Verfügbarkeit bezahlbarer und funktionierender Telekommunikation ist für praktisch alle anderen Wirtschaftszweige unerlässlich: Waren und Vorprodukte müssen bestellt, Termine und Pläne abgesprochen oder Programme und Steuerungsdaten übermittelt werden. Eine Rückkehr in die "Telekommunikations-Steinzeit" würde zwar viele Arbeitsplätze bei der Telekom sichern. Doch exorbitant steigende Telekommunikationskosten, beispielsweise ein Euro statt zwei Cent pro Minute für Gespräche nach Australien, würde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen massiv beeinträchtigen. Am Ende würden mehr Arbeitsplätze anderswo vernichtet, als bei der Telekom gesichert würden. Also bleibt zur weiterhin harten Regulierung keine Alternative.

Das Dilemma begann mit dem Börsengang der Telekom, weil der Staat sämtliche Telekommunikationsaktivitäten der früheren Deutschen Bundespost in einem Unternehmen bündelte und dieses dann an der Börse verkaufte. Durch die parallel vorgeschriebene Marktöffnung war klar, wohin die Reise führen musste: zum Verlust von Marktanteilen. Nur während der rosa Blütenträume des dot-com-Booms glaubten die Anleger an der Börse vorübergehend, der Markt würde so schnell wachsen, dass genügend Kunden und Umsätze für die Expansion der neuen Anbieter und der Telekom vorhanden seien. Dieser Traum ist ausgeträumt, die Anleger sind zurück auf dem Boden der Tatsachen und der Aktienkurs der Telekom im Keller.

An der generellen Marschrichtung, nämlich steigende Marktanteile für die Wettbewerber, wird Herr Obermann somit nichts ändern können. Allenfalls darauf, wie schnell er die Anteile verliert, hat er einen Einfluss, nicht auf die Richtung an sich. Sollte es Obermann tatsächlich gelingen, vorübergehend die Kundenabwanderung umzudrehen und der Konkurrenz wieder Marktanteile abzunehmen, wird die Bundesnetzagentur die Regulierungs-Daumenschrauben nur noch stärker anziehen, um eine Re-Monopolisierung zu verhindern.

Und so sollte Obermann den Kurs seines Vorgängers Ricke aufgeben, und nicht mehr öffentlich lange Zeit vor der Einführung neuer Produkte deren Ausnahme von der Regulierung verlangen. Das bringt nur Wettbewerber und die Bundesnetzagentur in Stellung, damit diese dann bei der Einführung um so schneller mit Anträgen und Regulierungsverfügungen schießen können. Besser ist, der Telekom-Chef fügt sich hier in sein Schicksal, schaut dem für ihn bösen Spiel zu und unterlässt öffentliche Kommentare dazu. Jede andere Vorgehensweise macht die Anleger nur erneut auf das Problem aufmerksam und drückt die Kurse weiter.

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