Neurobiologie

Exzessive Nutzung neuer Medien verändert das Gehirn

Die Anzahl computersüchtiger Jugendlicher steigt
Von ddp / Marie-Anne Winter

Die Zahl computersüchtiger Kinder und Jugendlicher übersteigt nach Expertenschätzungen die Zahl 100 000. Der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther warnte in der Neuen Osnabrücker Zeitung laut Vorabbericht, der exzessive Gebrauch der neuen Medien hinterlasse im Gehirn tiefe Spuren. So werde die Region im Hirn von Jugendlichen, die die Regulation der Daumenbewegungen steuere, seit zehn Jahren immer größer.

"Im Klartext heißt das: Die Einführung einer neuen Kulturtechnik, in diesem Falle SMS und Handys, die Jugendliche besonders intensiv nutzen, hat dazu geführt, dass sich ihr Hirn entsprechend strukturiert", erläuterte Hüther. Im Zusammenhang mit Computerspielen sprach Hüther von der "Bildung von Autobahnen". Anfänglich dünne Verbindungswege im Gehirn würden durch intensive Nutzung immer dicker. "Die sind dann so beschaffen, dass man, wenn man einmal drauf kommt, nicht wieder runterkommt", erläuterte der Wissenschaftler. Betroffene müssten nur einen Computer sehen, schon hätten sie das Bedürfnis, sich davor zu setzen.

Mit jeder Stunde aber, die Kinder vor dem Computer verbrächten, fehle ihnen eine Stunde, um ihr Gehirn für die Anforderungen im wirklichen Leben weiterzuentwickeln, warnte der Hirnforscher. Ähnlich wie konkrete Tätigkeiten beim Computerspiel würden auch die virtuellen Vorstellungswelten von den Kindern aufgenommen und verinnerlicht. "Ist dieser Prozess weit fortgeschritten, finden sich die Kinder und Jugendlichen in der realen Welt nicht mehr zurecht", sagte Hüther.

"Das Gehirn wird so, wie man es benutzt", betonte der Professor, dessen Buch Computersüchtig [Link entfernt] heute erscheint. "Wir müssen uns deshalb fragen, ob wir die Verantwortung für die Strukturierung des Hirns unserer Kinder weiter allein den Werbestrategen der Hersteller von Handys und Computerspielen überlassen wollen", fügte er hinzu.