(Selbst-)Zensur

Chinas erste Wiki-Konferenz klammert heikle Themen aus

Schwerer Stand für demokratische Publikationen
Von dpa /

In der Metropole Schanghai haben sich am Samstag Anhänger der so genannten Wikis zur ersten chinesischen Konferenz über diese Internet-Informationssysteme getroffen. Wikis sind Nachschlagewerke im Internet, die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online verändert werden können. Prominentestes Beispiel ist die erfolgreiche Online-Enzyklopädie Wikipedia.

Einladung zur ersten chinesischen Wiki-Konferenz Die rund 80 Teilnehmer diskutierten in der Stadtbibliothek Schanghais über die Zukunft der Wikis und versuchten, der Bewegung in China neuen Wind zu geben. Das Internetmedium habe in den vergangenen Jahren an Zuspruch verloren, sagte der Organisator [Link entfernt] der Konferenz, Ye Qunfeng.

Die chinesischen Wiki-Anhänger bewegen sich auf unsicherem Boden. Auf der einen Seite unterstützen oder betreiben sie die demokratisch organisierten Internetprojekte. Auf der anderen Seite unterliegen sie dem politischen Druck. So ist der Zugang zu den chinesischen und internationalen Seiten der Online-Enzyklopädie Wikipedia wegen ihrer politischen Inhalte in China seit mehr als einem Dreivierteljahr durchgängig gesperrt. Diese Woche meldete die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen die mehr oder weniger freiwillige Schließung der chinesischen Seite e-Wiki, deren Inhalte den Behörden nicht gepasst hatten. "Die Seite hatte in China ohnehin nur wenig Einfluss", kommentierte Ye Qunfeng etwas hilflos.

Zuversichtlich: Wikipedia wird in Zukunft in china erreichbar sein

Weiterhin zugängliche Wikis verzichten in der Regel auf Einträge über politisch heikle Themen wie die Taiwanfrage oder die Kultbewegung Falun Gong. "Das interessiert die jungen Leute in China nicht", begründete Ye. Tatsächlich steckt wohl eher die Angst vor der Staatsmacht dahinter: "Das ist zu einem gewissen Grad Selbstzensur", sagte ein Teilnehmer am Rande der Konferenz der dpa. Dort wurden solch heikle Themen ansonsten ausgeklammert. "Zu sensibel", kommentierte der junge Mann, der anonym bleiben wollte. Er glaube fest daran, dass das größte Internetnachschlagewerk Wikipedia in China irgendwann wieder erreichbar sein wird: "Es ist ein so großer Verlust für die chinesische Internetgemeinde", sagte er. Bislang komme kein chinesisches Wiki an das Vorbild heran.