hochfrequent

Editorial: Wieder mal ein Bürgerbegehren

Die Strahlendiskussion im Mobilfunk
Von

Sie sind inzwischen überall, unsichtbar und möglicherweise gefährlich: Die Radiowellen, die vom Handy ausgehen. Und so ist es kein Wunder, dass es seit der Einführung des Mobilfunks eine intensive Diskussion um das Für und Wider dieser Technologie gibt. Jüngstes Beispiel ist ein Volksbegehren in Bayern, über das ein Gesetz erlassen werden soll, das die Netzbetreiber künftig verpflichtet, für jeden Sendemasten eine Baugenehmigung einzuholen. Der dadurch entstehende Verwaltungsaufwand würde den Netzaufbau sicherlich verlangsamen.

Was jedoch verwundert, ist die Verschiebung der Diskussion. In der Anfangszeit war vor allem der Mobilfunk-Nutzer im Fokus der Ratschläge. So sollte das Handy wegen der Strahlenbelastung möglichst nicht im Auto verwendet werden, sondern besser ein Festeinbau mit einer externen Antenne. Wer sich zwei Geräte nicht leisten konnte oder wollte, dem wurde wenigstens die Verwendung einer Magnetantenne nahegelegt, die außen auf der Karosserie angebracht wird. Ein Kabel leitet die Funkenergie vom Handy durch das leicht geöffnete Fenster zur Antenne. Heutige Handys haben oft nicht einmal mehr den dafür nötigen HF-Anschluss. Die Entwicklung ist typisch: Statt über die Gefahren des Handys wird heutzutage über die der Basisstationen diskutiert.

Dabei geht von den Handys die viel größere Gefahr aus. Zwar strahlen die Basisstationen zusammengenommen mehr Leistung ab, als die Handys. Doch die Handys sind viel näher bei den gefährdeten Personen als die Basisstationen. Während eines einminütigen mobilen Telefonats mit "Handy am Ohr" bekommt das Gehirn mehr Strahlungsleistung ab, als während eines eintätigen Aufenthalts in der Wohnung einige Meter direkt unterhalb einer Basisstation. Im Flugzeug heißt es beim Start wegen der (bisherigen) Sorgen um mögliche Beeinflussungen der Bordelektronik folgerichtig: "Bitte schalten Sie die Handys ab" und nicht "Bitte schalten Sie die Handynetze und Basisstationen ab".

Man sollte sich auch nicht durch Begriffe verwirren lassen: Die Gefährlichkeit der in Kernkraftwerken erzeugten radioaktiven Strahlen ist in Hiroshima auf schrecklichste Weise bewiesen worden. Ein erheblicher Teil der Opfer dort starb an der Strahlenkrankheit, nicht durch Explosion und Feuer. Durch Langzeituntersuchungen an den beim ersten Kernwaffenabwurf verstrahlten Menschen sind auch solche Auswirkungen genau bekannt, die erst Jahrzehnte später auftreten, insbesondere diverse Krebsleiden. Wissenschaftlichen Streit gibt es allenfalls um die genaue Höhe der Gefährdung bei kleinen Strahlendosen. Bei "Radiostrahlen" ist hingegen bei geringen Leistungen auch umstritten, ob überhaupt eine Gefahr von diesen ausgeht. Mit anderen Worten: Es könnte sein, dass die Angst vor einer Basisstation gefährlicher ist, als die Basisstation selbst.

Zweifelsohne können Mobilfunkgegner auf zahlreiche Studien verweisen, die eine Gefährdung experimentell oder statistisch nachweisen. Doch nur, weil auf einem Stapel Papier das Wort "Studie" steht, müssen die darin gedruckten Texte noch lange nicht richtig sein. Denn genauso viele Studien weisen keine oder nur geringe Gefährdungen nach. Eine von beiden Seiten lügt mit hoher Wahrscheinlichkeit - die Frage ist nur, welche.

Auch Nutzer betroffen?

Aber zurück zur Politik: Besonders dramatisch wären die Auswirkungen des eingangs genannten Volksbegehrens übrigens, wenn auch ortsfeste Sendestationen beim Endnutzer genehmigungspflichtig würden. Insbesondere der DSL-Ersatz WiMAX wird anfangs auf Außenantennen angewiesen sein. Auch bei den UMTS-Diensten surf@home von o2 und Zuhause Web von Vodafone ist vorstellbar, dass deren Boxen künftig mit externer Antenne zur Verbesserung des Empfangs versehen werden können. Diese wären dann möglicherweise ebenfalls genehmigungspflichtig. Für Nutzer, die auf anderem Weg keinen schnellen bzw. zeitunabhängig abgerechneten Internetzugang erhalten können, ein gravierender Nachteil!