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Toll Collect soll Landkarten aus dem Internet geklaut haben (aktualisiert)

Landgericht droht Mautfirma mit 250 000 Euro Ordnungsgeld
Von AFP / Thorsten Neuhetzki

Die Maut-Firma Toll Collect ist offenbar beim Landkarten-Klau im Internet erwischt worden. Wie die Welt am Sonntag (WamS) und das Magazin Focus berichteten, hat das Berliner Landgericht eine Einstweilige Verfügung gegen Toll Collect erlassen, nachdem das Unternehmen Anfang Mai Landkarten aus dem Online-Dienst stadtplandienst.de heruntergeladen hatte. Es erscheine "plausibel", dass die "hier verwendeten Daten im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Autobahnmautsystems verwendet wurden", zitiert die WamS aus der Gerichtsentscheidung. Die Urheberrechte an den Landkarten gehören der Berliner Euro Cities AG, die stadtplandienst.de betreibt.

Der Internetanbieter von stadtplandienst.de hatte den Rechner von Toll Collect den Angaben zufolge über dessen IP-Adresse identifizert. Euro Cities beziffere den Wert des heruntergeladenen Materials auf mehr als 500 000 Euro. Der WamS zufolge droht Toll Collect ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro, sollte das Unternehmen die Karten nutzen und nicht von seinen Rechnern löschen. Demnach handelt es sich um insgesamt zehn Karten, davon drei Stadtpläne von Berlin, zwei von Stuttgart und fünf Deutschlandkarten.

Toll Collect-Sprecher: "Karten hätten keinen Wert für uns"

Unternehmenssprecher Harald Lindlar sagte, Toll Collect sei vor dem Kammergericht Berlin in Berufung gegangen. Zu Einzelheiten des schwebenden Verfahrens wollte er sich nicht äußern. Lindlar betonte aber, dass die Stadtpläne und Deutschlandkarten von stadtplandienst.de für das satellitengestützte Mautsystem von Toll Collect keinen Wert hätten: "Was wir für unser System brauchen, sind Autobahnkarten - und die machen wir selbst."

Bereits vor mehreren Jahren habe der Mautbetreiber bei einem holländischen Anbieter einen Grunddatensatz eingekauft, auf dessen Basis nun die eigenen elektronischen Karten ausgearbeitet würden, erläuterte Lindlar. Dazu gebe es in Bonn einen eigenes Grunddatenteam von Toll Collect mit rund 50 Mitarbeitern und eigenen Messfahrzeugen, die nach den Vorgaben der Bundesanstalt für Straßenwesen die Autobahnen abfahren und alle Veränderungen wie etwa neue Ausfahrten und langfristige Baustellen registrierten.

Groß angelegter Toll-Collect-Test angelaufen

Der Toll-Collect-Sprecher bestätigte zugleich einen Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel, wonach das Unternehmen Anfang August mit einem groß angelegten Test die manuellen Einbuchungsverfahren des Mautsystem am Automaten und per Internet getestet hat. Unter dem Codenamen Sandmann gaben demnach Mitarbeiter von Toll Collect wie auch eigens angeheuerte Hilfskräfte an bundesweit 450 Tankstellen oder am heimischen PC Daten und Fahrtstrecken ein. Insgesamt wurden laut Spiegel 820 000 Datensätze verarbeitet. Toll-Collect-Geschäftsführer Christoph Bellmer sagte dem Magazin, trotz eines einstündigen Komplettausfalls des Systems und einiger weiterer Pannen seien die Tests insgesamt erfolgreich verlaufen. Die Ausfallquote des Systems habe lediglich bei drei Prozent gelegen.

Die deutsche Autobahnmaut soll nach zwei geplatzten Startterminen nun vom 1. Januar 2005 an erhoben werden. Eher schleppend läuft bisher allerdings der Einbau der elektronischen Mautgeräte in die Lkw, auf die sich das System hauptsächlich stützen soll. Weil bislang erst 37 000 On-Board-Units in Lastern installiert sind und es zum Starttermin mindestens 500 000 werden sollen, hatte Toll Collect gemeinsam mit führenden deutschen Wirtschaftsverbänden erst gestern die Spediteure dazu aufgerufen, den Einbau der Geräte zu beschleunigen.