gesteuert

Editorial: Domain-Entführung

Verisign schafft die nicht vorhandene Domain ab
Von

Wer sich bei der Eingabe einer .com- oder .net-Adresse in den letzten Tagen vertippt hat, konnte sich wundern: Statt der üblichen, wenig hilfreichen Browser-Fehlermeldung lud die Startseite der Suchmaschine "Sitefinder". Diese informierte zunächst darüber, dass die gewünschte Domain nicht gefunden werden konnte, und bot dann eine Suche per Schlüsselwort oder Kategorie an.

Hintergrund ist, dass der Registrar Verisign seine Einstellungen geändert hat. Anders als bisher wird von den Verisign-Nameservern bei nicht vorhandenen Domains nicht mehr eine Fehlermeldung geliefert, sondern stattdessen die IP-Adresse der Sitefinder-Suchmaschine. Selbst komplette Blödsinns-URLs wie erwe.sdfklfds.dfskldf.com [Link entfernt] werden entsprechend umgeleitet.

Für Browser-Nutzer, die sich vertippt haben, mag das ein kleiner Vorteil sein. Statt einer wenig hilfreichen Fehlermeldung bekommt man immerhin eine Suchmaschine, die auf dem Weg zur eigentlich gesuchten Domain weiterhelfen kann. Doch für andere Internet-Dienste sind die Nachteile dramatisch. Als Beispiel seien Spam-Filter genannt, die aus der Nicht-Existenz einer (Absender)-Domain darauf schließen, dass die Absender-Adresse gefälscht und die E-Mail vermutlich Spam ist. Denn nicht-existente .com- oder .net-Domains gibt es jetzt ja nicht mehr.

Probleme können auch beim Versand einer E-Mail auftreten. Vertippt man sich bei der Empfänger-Domain, kommt die E-Mail normalerweise postwendend zurück, weil die Nameserver dem Mail-Programm die entsprechenden Fehlermeldungen geben. Existiert die vertippte Domain, und sei es rein zu "Sitefinder"-Zwecken, und läuft gleichzeitig auf der betreffenden Domain kein E-Mail-Programm, versuchen die E-Mail-Server hingegen immer wieder, die E-Mail zeitversetzt zuzustellen. Die Folge: Man bekommt erstmal keine Nachricht darüber, dass die E-Mail nicht zugestellt werden kann. Hier hat Verisign immerhin reagiert, und inzwischen einen "Mail Rejector" eingerichtet.

Wegen der nicht absehbaren weiteren Probleme forderte die Internet-"Verwaltung" ICANN (The Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) Verisign zwischenzeitlich auf, dem Spuk ein Ende zu setzen. Wenn Verisign den Dienst nicht bis zum 4. Oktober 18 Uhr pazifischer Zeit (das entspricht dem 5. Oktober 3 Uhr unserer Zeit) wieder abschaltet, würde ICANN gezwungen sein, rechtliche Schritte einzuleiten.

Medienberichten zufolge will sich Verisign an die Vorgabe halten. Das Thema "Vertipper-Domains" dürfte jedoch sicher die Gemüter weiter beschäftigen. Verisign zufolge hatte Sitefinder zig Millionen Nutzer. Dafür musste Verisign lediglich einen sogenannten "Wildcard"-Eintrag in den eigenen Nameservern ergänzen. Billiger kann Marketing kaum sein, und entsprechend hoch dürfte das Interesse der Registrare sein, auch künftig die Vertipper sich selber zuzuschanzen.