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Geplante Änderungen am TKG können die Regulierung weiter verzögern

Konferenz von Handelsblatt und Euroforum: "Telekommarkt Europa"
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Seit gestern findet in Bonn die 9. Handelsblatt-Jahrestagung "Telekommarkt Europa" statt. Im Fokus des ersten Konferenztages standen zunächst der gegenwärtige Zustand der Branche, dann diverse Konzepte, um zurück zur Profitabilität zu finden. Der ganze Nachmittag des ersten Tages war hingegen Regulierungsfragen gewidmet.

Matthias Kurth, Präsident der Regulierungsbehörde trug vor, welche Auswirkungen das geplante neue Telekommmunikationsgesetz auf die Arbeit seiner Behörde haben könnte, wenn es so, wie es derzeit im Entwurf steht, verabschiedet wird. Insbesondere ist es künftig vorgeschrieben, die EU-Kommission und die anderen nationalen Regulierungsbehörden zu informieren, wenn die Ergebnisse von Untersuchungen der Regulierungsbehörde (sogenannte Marktabgrenzung nach dem §8 des TKG-Entwurfs und Marktanalyse nach §9 TKG-E) auch Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten haben. Die Kommission kann dann zu dem Entwurf des Berichts zur Marktanalyse bzw. Marktabgrenzung Stellung nehmen, oder gar dessen Rücknahme und Neuausarbeitung verlangen.

Auf jeden Fall befürchtet Herr Kurth, dass sich Regulierungsverfahren durch das Einschalten der Kommission in die Länge ziehen können. Unklar ist auch noch, welche Rechtsschutzmöglichkeiten die betroffenen Unternehmen gegen die getroffenen Feststellungen haben, beispielsweise, wenn ein Unternehmen weiterhin als "marktbeherrschend" bezeichnet wird. Hier könnten künftig sowohl nationale als auch EU-Gerichte zuständig sein.

Beachtet werden müsse auch, dass Marktabgrenzung und Marktanalyse lediglich Arbeitsmittel der Regulierungsbehörde sind, um die gegenwärtigen Probleme zu erfassen. Auf diesen basieren dann die eigentlichen Entscheidungen, wie die Anordnung von Netzzusammenschaltungen oder Entgelten. Deswegen drängt Kurth darauf, Rechtsmittel der Unternehmen weiterhin nur gegen die eigentlichen Regulierungsverfügungen und nicht schon gegen die Ergebnisse der Marktanalyse zuzulassen.

Positiv bewertete Kurth, dass die Verpflichtung der Deutschen Telekom zur Abrechnung von Drittumsätzen (offenes Call by Call, Mehrwertdienste, Internet by Call etc.) bis Ende 2005 festgeschrieben wird. Über diesen Zeitpunkt hinaus besteht aber nur dann eine Verpflichtung zur Abrechnung durch marktbeherrschende Anbieter, wenn es keine etablierten Alternativen gibt.

Martin Glock, Leiter des Bereichs Recht, Regulierung und Liegenschaften bei Arcor, kritisierte die lange Dauer der derzeitigen Regulierungsverfahren. So habe es beim Thema Teilnahmeranschlussleitung (TAL) die ersten Anträge 1997 gegeben. Nach den Entscheidungen der Regulierungsbehörde und zwei Hauptverfahrensinstanzen der Gerichte wurde aber erst 2001 Rechtssicherheit geschaffen. Die Missbrauchsaufsicht, beispielsweise wegen zögerlicher Bereitstellung von TALs durch die Deutsche Telekom, sei zu langsam, zu umständlich und nicht effektiv. Würden Entscheidungen der Regulierungsbehörde vor Gericht angegriffen, würden diese zudem oft ausgesetzt oder abgemildert. Hier soll das neue Gesetz so verbessert werden, dass die Regulierungsbehörde effizient handeln kann.

Herr Glock forderte für das neue TKG, dass die Regulierungsbehörde jedes Angebot im Vorhinein ("ex ante") prüfen können müsse. Die Aufgabe der Regulierung in einzelnen Bereichen wegen verbesserter Wettbewerbssituation dürfe auch nicht dazu führen, dass schlagartig bestimmte Vorleistungsprodukte wegfielen. So müsse sicher gestellt werden, dass heute abgeschlossene Mietverträge über TAL auch dann weiterliefen, wenn die Telekom hier künftig ihre marktbeherrschende Position verliere.

Für den Verbraucher ergeben sich vielfältige Folgen aus dem neuen TKG. Wenn sich nach dessen Einführung wie oben beschrieben die Regulierungsverfahren in die Länge ziehen, wird der Wettbewerb geschwächt, und es stehen dem Verbraucher vor allem bei neuen Diensten anfangs nur wenige oder gar keine Alternativanbieter zur Verfügung. Die Festschreibung des Inkassos bis 2005 bringt zwar zweieinhalb Jahre Rechtssicherheit für offenes Call by Call, ab 2006 aber Rechtsunsicherheit. Da Unternehmen ihre Investitionen langfristig planen, kann die neue Regelung bereits heute negative Auswirkungen haben, beispielsweise dann, wenn Unternehmen entscheiden, ob sie neu offenes Call by Call anbieten wollen.