freiwillige Leistung

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Private Nutzung von Telefon und Internet am Arbeitsplatz weder grundsätzlich erlaubt noch verboten
Von dpa / Marie-Anne Winter

Im Internet schnell einen Blick auf das Kinoprogramm werfen oder am Nachmittag kurz mit dem Partner telefonieren - für viele Büroarbeiter ist die private Nutzung von Telefon und Computer normal. Einen Anspruch auf das private Gespräch oder die E-Mail haben Arbeitnehmer aber nicht. Die Regelungen dazu unterscheiden sich von Betrieb zu Betrieb. Wenn keine vertraglichen Vereinbarungen bestehen, sollten neue Mitarbeiter deshalb fragen, was im Unternehmen üblich ist.

"Privates Telefonieren oder Mailen ist weder grundsätzlich erlaubt noch grundsätzlich verboten", sagt Gisbert Seidemann, Rechtsanwalt und Arbeitsrechtsspezialist in Berlin. "Die Entscheidung über die private Nutzung liegt beim Arbeitgeber." Er könne Privatgespräche oder -E-Mails grundsätzlich verbieten. Falls er sie zulasse, sollte es aber verbindliche Regeln für den Arbeitsalltag geben. Dann könne auch der Betriebsrat ein Wörtchen mitreden, weil es sich um eine "freiwillige Leistung" des Arbeitgebers handelt.

"Arbeitgeber sollten die private Nutzung von Telefon und Internet nicht einfach dulden", sagt auch Heinz-Jürgen Kalb, Geschäftsführer des Deutschen Arbeitsgerichtsverbands in Köln. "Das "rechte Maß" sollten festgelegt und die betrieblichen Gewohnheiten geregelt sein."

Kaum ein Unternehmen werde seinem Angestellten verbieten, im Notfall zu telefonieren, sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin. "Was darüber hinaus erlaubt ist, hängt von dem Arbeitgeber ab." Ob und in welchem Ausmaß Mitarbeiter auch mal vom Büro aus bei ihren Freunden oder Familen anrufen dürfen, kann in Betriebsvereinbarungen, Verträgen oder Dienstanweisungen geregelt sein.

Goldene Regel: Fasse dich kurz

Wenn private Telefonate gestattet sind, sei dies häufig mit einer zweiten Nummer oder einer besonderen Vorwahl geregelt: "Damit übernimmt der Arbeitnehmer die Kosten", so Perreng. Auch die fehlende Arbeitszeit müsse bedacht werden: "Bei privaten Gesprächen gilt natürlich das Gebot 'Fasse dich kurz'." In den meisten Betrieben hat sich die Nutzung des Telefons laut Perreng seit Jahren eingespielt, und nur selten gibt es Probleme.

"Arbeitgeber können sich an den bestehenden Regeln zum privaten Telefonieren orientieren, wenn es um die Internetnutzung geht", rät Rainer Schmidt-Rudloff, Referent für Personalpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA [Link entfernt] ) in Berlin. So sollte das Maß abgesteckt sein, in dem E-Mails versandt und Websites besucht werden dürfen. "Das kann auch Vorteile für den Unternehmer haben." Wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel ein paar Minuten für das private Internetbanking nutzt, müsse er eben nicht schon früher aus dem Büro, um noch bei der Bank vorbei zu gehen.

"In einigen technischen Branchen oder in den Medien gehört die Nutzung des Internets so stark zur täglichen Arbeit, dass auch der private Blick auf eine Website kaum auffällt und meist erlaubt ist", sagt Anwalt Seidemann. Auch sonst kann eine private Nutzung durchaus im Sinne des Arbeitgebers sein: "Wenn ältere Mitarbeiter auch privat im Netz surfen, trainieren sie ihren Umgang mit dem Medium", sagt Gewerkschafterin Perreng. Davon könnten sie auch im Job profitieren.

"Grundsätzlich sollte im Betrieb so viel Vertrauen herrschen, dass das erlaubte Surfen im Netz nicht ausgenutzt wird", sagt Schmidt-Rudloff. "Wenn Mitarbeiter zu viel privat telefonieren oder mailen, ist das außerdem meist ein Motivationsproblem." Wer zu lange surft, werde über kurz oder lang durch schlechte Arbeitsergebnisse auffallen. Dann sei es aber gleichgültig, ob der Kollege E-Mails schreibe, ständig telefoniere oder stundenlang aus dem Fenster schaue. "Erst wenn sich ein begründeter Verdacht ergibt, dass ein Mitarbeiter das Internet zu lange nutzt, kann der Arbeitgeber eine Kontrolle veranlassen."

Wirtschaftliche Interessen und Persönlichkeitsrechte

Egal ob Internet- oder die Telefonnutzung, eine Überprüfung muss vorher ankündigt werden: "Dabei geht es um die Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers und dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers", sagt DGB-Arbeitsrechtlerin Perreng. Deshalb dürften zum Beispiel auf einer Auflistung der gewählten Nummern eines Telefonapparats nur die ersten Ziffern und nicht die kompletten Nummern erfasst werden.

Wenn bei einer Kontrolle herauskommt, dass der Mitarbeiter über das vereinbarte Maß hinaus telefoniert hat, können daraus ernste Schwierigkeiten entstehen: "Das ist ein Vertrauens-, vielleicht auch ein Vertragsbruch.", sagt Expertin Perreng. Der Mitarbeiter könne abgemahnt werden. Strittig sei, ob ein solches Verhalten auch Anlass für eine Kündigung sein kann.

Klar ist der Fall allerdings, wenn ein Arbeitnehmer vom Büro-Computer aus verbotene Websites ansteuert: "Seit Einführung des Internets gibt es immer wieder Fälle von missbräuchlicher Nutzung, zum Beispiel von pornografischen Seiten", sagt Arbeitsrechtsexperte Kalb.

Viele Arbeitnehmer sind bei der privaten Nutzung des Internets auch aus einem anderen Grund zurückhaltender als beim Telefonieren: "Wegen der Gefahr, dass durch private E-Mails Viren auf den Firmencomputer gelangen, verbieten einige Arbeitgeber den privaten Mailverkehr", sagt Anwalt Seidemann. Wer in einem Unternehmen neu ist, sollte sich auch deshalb nicht einfach darauf verlassen, den Arbeits-PC auch mal kurz für private Zweck nutzen zu können: "Am besten fragt man am Anfang seine Kollegen und den Vorgesetzten, wie das Telefonieren und Mailen im Betrieb üblicherweise gehandhabt wird", empfiehlt Seidemann. Die unerlaubte Nutzung am Arbeitsplatz kann nämlich auch unangenehme Folgen bis hin zur Kündigung haben.