Vorteil?

Editorial: Mehr Verbraucherschutz bei 0900?!

Die Versprechen der Anbieter
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Liest man die aktuellen Pressemitteilungen der Anbieter von Mehrwertdienste-Nummern, könnte man meinen, dass sich die Branche vom Saulus zum Paulus gewandelt hat. Von verbessertem Kundenschutz, Zwangstrennung zur Verhinderung von weiterlaufenden Gebührenzählern, Höchstentgelten pro Gespräch, Bestätigung von Blockentgelten oder besonders hohen Minutenentgelten, und diversem mehr ist dort die Rede. Über kostenlose oder zumindest per 01803 erreichbaren Hotlines kann man nachfragen, wer hinter einer bestimmten Rufnummer steckt. Eine Dienstekennziffer soll sicherstellen, dass man vorab erfährt, welches Angebot ungefähr hinter einer teuren 0900-Nummer steckt:

Ist das jetzt das Ende von Abzock-Dialern, die sich fast unbemerkt installieren? Wird es künftig keine "Flirtlines" mehr geben, an denen Animateurinnen zahlenden einsamen Männern vorgaukeln, sie seien die gelangweilte Ehefrau von nebenan? Wird die Branche jetzt komplett seriös?

Wohl kaum. Denn die neu angekündigten Bedingungen gelten bisher ausschließlich für 0900. Bei 0190 kann weiterhin abgezockt werden wie bisher. Und wenn in zwei Jahren 0190 abgeschaltet wird, könnten die vielen guten Vorsätze vom 0900-Start im Jahr 2003 längst vergessen sein. "Anpassung an die Marktbedingungen" heißt das dann vornehm-zurückhaltend.

0900 bringt zwei kleine Vorteile für den Verbraucher: Die Nummern werden anders als 0190-X nicht im Block vergeben, sondern einzeln. Wer dennoch, wie bisher üblich, solche Nummern an dubiose Drittanbieter aus dem Ausland "untervermietet", wird sich künftig das Treiben dieser Drittanbieter verstärkt zurechnen lassen müssen. Ist gar der Eigentümer einer Nummer unauffindbar, dürfte die baldige Rücknahme der Nummernvergabe und damit die Abschaltung die zwangsläufige Folge sein.

Der andere Vorteil ist, dass 0900 strickt im Offline-Billing abgerechnet wird. Bestreitet man die Korrektheit einer 0900-Verbindung, erstattet die Deutsche Telekom automatisch die entsprechende Verbindung auf der Telefonrechnung, soweit man rechtzeitig Einspruch erhebt. Der Telefonanbieter, über den die 0900-Nummer geschaltet wurde, bemüht sich dann um das Inkasso. Bisher wurde ja so manche zweifelhafte 0190-Verbindung alleine deswegen bezahlt, weil die Deutsche Telekom regelmäßig damit droht, den Anschluss zu sperren, wenn man seine Rechnung ganz oder teilweise nicht bezahlt.

Doch am Ziel ist man damit noch nicht. Denn auch bei 0900 wird man im Fall, dass die Sache vor Gericht geht, von einem Tk-Anbieter verklagt werden, nicht vom eigentlichen Service-Anbieter. Das heißt, dass man allenfalls technische Einwände entgegenbringen kann, wie, das die Verbindung nicht funktioniert hätte, oder falsch erfasst wurde. Das bei 0190/0900 viel häufigere Problem, nämlich, dass der teuer bezahlte Service schlecht oder gar nicht erbracht wurde, wird vor Gericht aber weiterhin nicht diskutiert werden. Laut einem Urteil des BGH von Ende 2001 kommt es nämlich nur auf die Vermittlung an, nicht auf den Inhalt. Selbst dann, wenn der erbrachte "Service" sittenwidrig sei, müsse bezahlt werden.

Hier kann der Verbraucher nur auf eine Gesetzesänderung hoffen. Wenn, wie im Fall von 0190/0900, mehrere Leistungen (hier eine Telefonverbindung, und der erbrachte Service bzw. Mehrwert) miteinander verkoppelt sind, dann sollten diese nur dann gegenüber dem Verbraucher abgerechnet werden dürfen, wenn auch alle Leistungen rechtlich einwandfrei erbracht wurden. Genau diese Änderung hatte Verbraucherschutzministerin Frau Künast bereits 2002 im Sinn. Der entsprechende Entwurf zur Änderung der TK-Kundenschutzverordnung wurde jedoch im Parteienstreit vor der Wahl zerrieben.

Es gibt aber noch eine Kröte, die der Verbraucher bei 0900 zu schlucken hat: Diese Nummern werden keine festen Preise mehr haben. Jede 0900-Nummer lässt sich individuell tarifieren. Der Verbraucher ist dadurch mehr als bisher darauf angewiesen, dass in der Werbung die richtigen Preise genannt werden. Doch gerade die schwarzen Schafe haben sich hier unendlich viele Tricks einfallen lassen, die Entgelte zu verschleiern. Mal werden "Cent pro Sekunde" als Entgelt genannt, mal sind die Preise "aus Versehen" abgeschnitten, mal wird zwar der korrekte Minutenpreis genannt, aber mit dem fehlenden Hinweis auf den 60-Minuten-Takt. Ärger ist also vorprogrammiert.