Mit Volldampf zurück

US-Telefonkonzerne planen Verteuerung von Ferngesprächen

Notbremse für den ruinösen Preiskampf
Von Marie-Anne Winter

Der Kampf um Marktanteile wird zumeist mit dem Lockmittel der Preissenkung ausgetragen. Was sich in Deutschland seit dem vergangenen Jahr ebenfalls abzeichnet, ist in den USA jetzt harte Realität: Die Telekom-Konzerne versuchen mit Preiserhöhungen den Preiskampf der letzten Jahre zu beenden, der sie in den Ruin zu treiben droht. Wie die Financial Times Deutschland (FTD [Link entfernt] ) berichtet, kündigten die beiden Marktführer bei Ferngesprächen, AT&T und WorldCom, am Wochenende Tarifänderungen an, bei denen Ferngespräche für viele Kunden teurer werden.

Nach der Deregulierung, die in den USA 1996 erfolgte, unterboten sich die Telekom-Anbieter mit Tiefstpreisen. Inzwischen befindet sich die gesamte Branche in der Krise. Die spektakuläre Insolvenz von WorldCom im vergangenen Sommer war zwar die bis dahin größte Pleite eines US-Unternehmens. Die Konzernleitung wurde überführt, dass das scheinbar profitable Geschäftsmodell allein auf Bilanzfälschungen in Milliardenhöhe beruhte. Allerdings dämmerte inzwischen, dass dieser in diesem Umfang bisher einzigartige Fälschungsskandal nur die Spitze eines Eisbergs zeigte. Auch bei den Telekom-Konzernen Global Crossing und Qwest wurden bei Untersuchungen Falschbilanzierungen aufgedeckt, mit denen Umsätze künstlich in die Höhe getrieben wurden.

Jetzt ist der Katzenjammer groß. Deshalb versuchen es AT&T, die MCI WorldCom und die Nummer drei auf dem US-Markt, der Anbieter Sprint, mit der Flucht in die Vergangenheit: Sie erhöhen die Preise. Angesichts von zahlreichen lokalen Wettbewerbern - in einigen Landesteilen stehen nach Angaben von FTD bis zu 2 000 Anieter von Ferngesprächen zur Auswahl - ist das ein risikoreiches Unterfangen. Immerhin haben die Großen den Vorteil des bekannten Namens und des einfachen Netzzugangs. Wie auch unter den deutschen Anbietern zeichnet sich die Tendenz ab, mehr auf Gewinn und weniger auf Umsatz zu achten. Anders ausgedrückt: Die Unternehmen konzentrieren sich zunehmend auf lukrative Kunden und überlassen das Massengeschäft sich selbst.

Damit wird ein Trend beschleunigt, der die Festnetzanbieter mittelfristig auch wieder in Schwierigkeiten bringen wird: Die Anzahl der vertelefonierten Ferngesprächsminuten in den USA sinkt. Anstatt zu Telefonieren, nutzen die Kunden verstärkt E-Mail oder auch das Mobiltelefon. Denn bei den US-amerikanischen Terifmodellen bedeutet es oft für den Kunden keinen Nachteil, wenn er die im Paket enthaltenen Inklusivminuten für Ferngespräche nutzt.

Im Privatkundengeschäft werden dem entsprechend weitere Umsatzeinbrüche erwartet. In diesem Jahr wird eine Fusionswelle erwartet, weil 2002 mit dem Verbot für lokale Ortznetzbetreiber, auch Ferngespräche anzubieten, eine entscheidende regulatorische Hürde gefallen ist. Die so genannten Baby Bells dürfen nun in den meisten Bundesstaaten Ferngespräche anbieten. Aber auch hier gilt, dass Größe die beste Voraussetzung für weiteres Wachstum ist: Als aussichtsreichste Kanditaten für eine Fusion nennt FTD die Drittgrößte unter den Baby Bells, Bell South und At&T.

Es spricht einiges dafür, dass auch die Telekom-Anbieter auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt ihr Heil in der Flucht zurück, sprich in höheren Tarifen suchen werden. Die Einführung der freien Betreiberwahl im Ortsnetz (Call by Call im Ortnetz) könnte ein Lehrbeispiel dafür werden, dass mehr Markt nicht immer mit günstigeren Endpreisen für die Kunden gleichgesetzt werden kann.