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Editorial: "Darf ich mal Ihr Telefon benutzen?"

Neue Formen der Nachbarschaft dank Call by Call
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Kürzlich, in einer deutschen Großstadt: Frank schaut bei seinem Nachbarn Kurth vorbei:

Frank: Kurth, bitte entschuldige die Störung. Darf ich mal Dein Telefon benutzen? Ich bezahl's Dir auch.
Kurth: Wieso, ist Deines kaputt?
Frank: Nein, aber ich kann nicht mehr über Telediscount telefonieren.
Kurth: Wer ist denn das schon wieder?
Frank: Das ist der letzte Spar-Schrei: Orts- und Ferngespräche für nur 2 Cent pro Minute. Ich weiß, Du nutzt ja kein Call-by-Call.
Kurth: Ja sicher, ich telefoniere über die Telekom. So hoch ist meine Rechnung nicht. Die Tele-dingsbumms, die haben schon auf Euro ...
Frank: (korrigiert) Telediscount. Ja, die haben bei der Euro-Umstellung sogar abgerundet. Vorher waren es noch 6 Pfennig pro Minute.
Kurth: Und die funktionieren jetzt nicht mehr?
Frank: Nun, ich habe viele Gespräche über Telediscount geführt. Aber seit heute morgen kommt bei mit immer die Ansage, dass die Leitungen überlastet sind, und ich eine andere Vorwahl benutzen soll. Die will ich aber nicht, die ist nämlich teurer.
Kurth: Und statt einer anderen Vorwahl nimmst Du jetzt ein anderes Telefon?
Frank: Ja. Denn Telediscount lässt jeden Kunden eine bestimmte Zeit lang telefonieren, bevor sie die Leitungen sperren.
Kurth: Mensch, das ist ja richtig teuer für die, wenn die so viele Kunden sperren.
Frank: Nein, das macht doch der Computer. Deine Nummer kennt er noch nicht, also kannst Du oder ich mit Deinem Telefon über die telefonieren.
Kurth: (verwirrt) Und da bist Du Dir wirklich sicher?
Frank: Ja.
Kurth: Du brauchst also anderer Leute Telefon?
Frank: Ja.
Kurth: Kannst Du Dir nicht eine zweite Telefonleitung von der Telekom legen lassen?
Frank: Nein, das wäre noch viel teurer.
Kurth: Und was ist mit diesem Ihh Ess Dings-Bumms? Da kriegt man doch drei Leitungen und zwei Rufnummern?
Frank: (etwas genervt) Das heißt ISDN. Zwei Leitungen, und drei Rufnummern, und auf Wunsch sogar bis zehn Rufnummern. Nein, das brauche ich auch nicht. Mir reicht wie Dir ein Analoganschluss.
Kurth: Aber anscheinend willst Du auch meinen haben.
Frank: Ja, Du hast recht. Leih' mir bitte einfach Dein Telefon, damit ich Angie anrufen kann. Ich bezahl's Dir auch.
Kurth: Siehst Du, ich habe Dir doch gesagt, dass das mit dem Call-by-Call und dem Preiskampf nicht gut ist.
(durch Zufall kommt gerade Anna vorbei)
Anna: Guten Tag allerseits!
Frank: Tach'chen.
Kurth: Auch ich wünsche einen wunderschönen Tag.
Anna: (fragend) Call-by-Call soll nicht gut sein?
Frank: Doch, ich find' es super. Zahle nur noch 2 Cent rund um die Uhr bei Telediscount.
Kurth: Und jetzt muss er mich anbetteln, weil sein Tele-Dingsbums bei ihm nicht mehr geht.
Anna: Wie?
Frank: Telediscount sperrt Kunden, die zu viel telefonieren, die Leitung, und empfiehlt stattdessen eine Nummer, die viel teurer ist. 3 Cent statt 2 Cent pro Minute.
Anna: Na so viel mehr ist das aber nicht. Nur ein Cent.
Frank: Das sind glatt 50% mehr. Das ist ein Riesenunterschied!
Anna: Aber was nutzt Dir Telediscount, wenn Du nicht durchkommst?
Frank: Deswegen will ich es ja von Kurths Telefon aus probieren.
Kurth: Und wenn es bei meinem Telefon auch nicht mehr geht?
Frank: Dann gehe ich zu Peter. Der telefoniert doch auch wieder über die Telekom.
Anna: Stimmt, das hat Peter mir erzählt. Er hatte früher immer eine Liste mit den billigsten Nummern aus der Zeitung. Aber weil die dauernd überlastet waren, hat er es aufgegeben.
Kurth: Siehst Du, das habe ich doch immer gesagt. Call-by-Call ist nicht gut.
Anna: Auch ich hab aufgegeben, damals, als die 01030 plötzlich nicht mehr ging, und mir keiner sagte, warum.
Frank: Das war TelDaFax, die sind pleite gegangen. Nutze doch einfach 01078, die sind sogar noch etwas günstiger, und ebenfalls sekundengenaue Abrechnung!
Anna: Ich will mir nicht dauernd neue Nummern merken.
Frank: Bin ich der einzige hier, der noch Call-by-Call nutzt?
Anna: Anscheinend ja.

Nun, das Gespräch ist natürlich fiktiv. Aber die Frage an die Discounter bleibt: Rechtfertigt der Preiskampf wirklich die eingesetzten Mittel? Wäre es nicht für alle besser, wenn die günstigen Nummern ein paar Zehntelcent teurer wären, aber dafür wirklich funktionierten, und zwar bundesweit und auch bei stärkerer Beanspruchung?