Markenzeichen

Gerangel im Netz - neue Domain-Adressen sollen Platz schaffen

Domaingrabbing kann teuer werden
Von dpa / Marie-Anne Winter

Im weltweiten Netz ist es eng geworden: Kaum eine Internet-Adresse ist noch frei verfügbar. Sogar Rechtsanwälte werden in juristische Schlachten um die Kürzel Dot-com oder Dot-de geschickt. Doch bald soll Frieden einkehren. Erstmals nach 15 Jahren kommt am 19. September eine neue Internet-Adresse hinzu: Dot-info. Am 1. Oktober folgt mit Dot-biz schon die nächste so genannte Top-Level-Domain, und 2002 sollen Dot-name, Dot-pro, Dot-museum, Dot-aero und Dot-coop das Netz noch geräumiger machen.

"Mit den neuen Domainnamen wollen wir die Enge im internationalen Namensraum lindern", sagt Andy Müller-Maguhn aus Hamburg, Europa-Direktor von ICANN, der weltweiten Behörde zur Kontrolle von Domainnamen. Das "Internet-Straßenverkehrsamt" will den Inhabern von Markenrechten bei den neuen Namen Vorfahrt gewähren. "In der so genannten Sunrise Period dürfen sich nur Rechte-Eigentümer, die vor dem 2. Oktober 2000 als Marke geschützt waren, registrieren", erklärt Müller-Maguhn. Die Sunrise Period bei den Info-Adressen startet am 25. Juli und endet am 28. August.

Durch diese Maßnahme soll das Domaingrabbing, also das absichtliche Besetzen bekannter Markennamen, verhindert werden. So genannte Domaingrabber hatten in der Vergangenheit häufiger versucht, die Adressen für viel Geld an die Firmen zu verkaufen. Ab dem 12. September öffnet das amerikanische Unternehmen Afilias, das für die Dot-info-Domain-Vergabe zuständig ist, die Registrierung für die breite Öffentlichkeit.

Viele Kritiker glauben durch die Einführung der neuen Domain- Endungen allerdings nicht an ein Ende des juristischen Konfliktpotenzials und der Namensknappheit. "Jeder, der eine Dot-com-Adresse besitzt wird sich auch die entsprechende Dot-info-Adresse sichern", vermutet Raban Woryna, Geschäftsführer des Internet-Portals domainguard.de in Lüneburg, das Markenrecherchen für Domaininhaber durchführt. Durch die neuen Top-Level-Domains werde es nicht mehr Internetpräsenz geben, sondern nur mehr Internetadressen, unter denen ein Betreiber zu erreichen ist. Ganz so drastisch sieht das Michael Frenzel, Sprecher der 1&1 Internet AG in Montabaur (Rheinland-Pfalz) nicht. Die Firma ist Anteilseigner und das deutsche Sprachrohr von Afilias.

"Bei neutralen Begriffen wie zum Beispiel Wanderung oder Stellenmarkt werden die Karten in Sachen Domain-Vergabe tatsächlich neu gemischt", sagt Frenzel. Wenn Marken betroffen sind, lasse sich allerdings nicht viel machen. Wer sich demnächst zum Beispiele milka.info sichern lassen wolle, habe keine Chance. "Unsere Marken sind auch bei den neuen Adressen wie Dot-info und Dot-biz geschützt", bestätigt auch Hans-Peter Ahle, Pressesprecher beim Markenartikler Kraft Foods (Milka, Miracoli) in Bremen.

"Ob Domainnamen unterschiedliche Endungen haben, spielt in der Regel keine Rolle, wenn ein Konflikt zwischen einer Marke und einer Domain beginnt. Auch für die neuen Domains gilt: Wenn eine ähnliche oder identische Domain, bloß mit anderer Endung schon in Benutzung ist oder der Name als Marke geschützt ist, kann Gefahr drohen", erklärt der auf Markenrecht spezialisierte Anwalt Karsten Prehm in Kiel.

Dabei gehe es gar nicht um absichtliches Domaingrabbing bekannter Marken: "In Deutschland gibt es 574 000 eingetragene Marken, die man nicht alle kennen kann", sagt Woryna. Rund 20 Prozent der mehr als vier Millionen Dot-de-Namen sind nach Schätzungen von domainguard.de markenrechtlich ein Problem.

Das hat auch Sebastian Tietze erfahren, als ihm kürzlich ein Brief einer Rechtsanwaltskanzlei ins Haus flatterte. Das Schreiben war eine Abmahnung des Versicherungskonzerns Allianz in München. Die Kanzlei forderte in der "Kostennote" 1800 Mark von dem Gymnasiasten. Der Schüler aus Burgstall bei Magdeburg hatte sich für seine Computerspiel-Gemeinschaft die Domain nationale-allianz.de registrieren lassen. Für die Versicherer war klar, dass der Schüler damit ihr Markenrecht verletzt. "Ich sollte eine Unterlassungserklärung unterschreiben und die Domain sofort an die Allianz überschreiben", sagt Tietze.

Um rechtliche Probleme vor dem Einrichten einer eigenen Web-Site zu umgehen, sollte der Computernutzer einige Ratschläge beachten: Wenn es sich bei der Site um Fantasienamen oder um zusammen gesetzte Fantasienamen handelt, sollte vorher unbedingt recherchiert werden, ob dahinter eine geschütze Marke steckt. "Bei Marken reichen oft schon Ähnlichkeiten aus, um Abmahnungen zu erhalten", erklärt Rechtsanwalt Prehm. Ebenfalls sei es wichtig, keine schon bekannten Firmennamen, Zeitschriftentitel oder Prominentennamen zu wählen, auch nicht, wenn sie anders geschrieben sind.

Auch Sebastian Tietze würde jetzt keine "Wortspielereien", die Marken betreffen, mehr benutzen. Die Reaktion des Unternehmens fand er aber übertrieben. "Man muss ja nicht gleich mit Kanonenkugeln auf Spatzen schießen", sagt er. Allerdings kann der 18-Jährige auch das Markenrecht der Unternehmen verstehen: "Durch das absichtliche Domaingrabbing hat sich die Reaktionen der Firmen sehr verschärft." Obwohl der Gymnasiast mit seiner Web-Site nie die Marke der Allianz-Versicherung antasten wollte, musste er zahlen. Zwar nicht 1800, sondern 150 Mark. Die Versicherer hatten Einsehen mit der finanziellen Situation des Schülers. Doch seine Ex-Domain führt nun direkt zur Allianz-Versicherung.