moderne Spickzettel

Schulen rüsten sich gegen den Spick per Handy

Mobifinder verderben Mobil-Schummelei
Von dpa / Marie-Anne Winter

Zusammengerollte Papierschnipsel im Kugelschreiber, sorgfältig präparierte Tesafilmstreifen unter der Schuhsohle - es gibt kaum einen Trick, den Schüler noch nicht ausprobiert haben, um Matheformeln oder Vokabeln mit in die Klassenarbeit zu mogeln. In den mobilen Zeiten von SMS und WAP hat der gute alte Spickzettel Hightech-Konkurrenz bekommen: Ein schneller Besuch auf der Toilette, und schon steht der Satz des Pythagoras auf dem Display: Rettung in letzter Not vom schlauen Bruder zu Hause.

Doch Deutschlands Schüler wissen, was ihnen blüht, wenn sie beim Handyschwindel erwischt werden. "Wer sich durch eine SMS helfen lässt, wird genauso bestraft wie bei jeder anderen Mogelei auch", weiß Verena Jannaber. Die 17-Jährige besucht das Graf-Adolf-Gymnasium im westfälischen Tecklenburg. Gerade die älteren Schüler hätten mittlerweile zwar alle ein eigenes Handy. "Aber wir wären ja schön blöd, wenn wir damit mogeln würden. Klar, es gibt Witze, wie man bei einer schweren Arbeit mit dem Handy schnell an Infos gelangen könnte. Aber genauso schnell kann man wohl auch erwischt werden", vermutet Verena.

Bislang hat es mit Handy-Schummeleien an deutschen Schulen noch kaum Probleme gegeben. Einige Gymnasien und Realschulen wollen aber trotzdem vorbeugen. Sie haben sich einen so genannten Mobifinder zugelegt. Diese Detektoren blinken oder vibrieren, wenn auf den Handyfrequenzen Betrieb herrscht. Die Mobifinder der Hamburger Firma MAZ kosten rund 900 Mark.

Lebrecht Focke, Schulleiter des Gymnasiums in Nordhorn, hat mit den "Handydetektiven" gute Erfahrungen gemacht: "Bei den Abiturklausuren sucht unser Schulassistent mit dem Gerät die Toiletten und das Schulgelände ab." Da die Schüler über die Finder Bescheid wüssten, sei bisher noch kein Prüfling auf die Idee gekommen, mit Hilfe des Handys zu schummeln.

"Im vergangenen Jahr war es ganz spannend: Da schlug der Mobifinder an, und wir wurden zu einem ahnungslosen Taxifahrer geführt. So hat das Gerät zumindest seine Tauglichkeit erwiesen", erinnert sich Forke schmunzelnd. Er vertraut auf die Ehrlichkeit seiner 900 Schülerinnen und Schüler: "Außerdem gibt es bei den meisten Abiturklausuren gar nicht so viel zu mogeln. Mittlerweile wird weitaus mehr Transfer- als reines Faktenwissen abgefragt. Was hilft da schon das Internet? Das dauert doch viel zu lange."

Beim Deutschen Lehrerverband in Bonn wird gern darauf verwiesen, dass ab der Mittelstufe ohnehin Wörterbücher und Formelsammlungen bei Prüfungen zugelassen seien. In Baden-Württemberg gebe es dennoch einen Erlass, der ausdrücklich klarstellt, dass Handys in Prüfungssituationen eine vorsätzliche Täuschung sind, sagt Gerda Windey vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport in Stuttgart. Im Klartext heißt das: Wird mit dem Handy geschummelt, dann steht unter der Arbeit eine Sechs.

Roman Schulz vom Regionalschulamt Leipzig macht sich - unabhängig von den Schummelmöglichkeiten - für eine Handyerziehung an deutschen Schulen stark: "Man kann auf keinen Fall einen Teil der gesellschaftlichen Entwicklung einfach so verbieten. Die Schulen sollten ihren Erziehungsauftrag auch in Bezug auf mobile Kommunikation wahrnehmen." Aus jedem zweiten Schulrucksack klingele mittlerweile ein Handy. Doch im Unterricht habe die Lärmmaschine nichts zu suchen. "Ständig müssen unsere Lehrer Handys einsammeln. Es ist einfach eine Sache des guten Tons, dass die Schüler lernen, wo sie ein Handy anwenden können und wo nicht", so Schulz.

Für Jugendliche ist das Handy längst zum Statussymbol geworden. "Es gibt 'Handyprolls', die immer das neueste und beste Gerät haben und damit mächtig angeben", hat Schülerin Verena Jannaber beobachtet. "Für andere ist das Handy ein Gameboy-Ersatz." Mittlerweile seien aber einige schon wieder stolz, kein Mobiltelefon zu besitzen: "Die Dinger sind ja auch irre teuer und saugen am Taschengeld." Aber wer sich als Teenager nicht auskennt im SMS-Dschungel und seinen Abkürzungen wie "HDGDL" (Hab-Dich-Ganz-Doll-Lieb), ist auf dem Schulhof schnell out.

Allen Handydetektiven zum Trotz: Die Computertechnik hat Schülern ganz neue Möglichkeiten des Schummelns eröffnet: So fand das Marktforschungsinstitut Iconkids&Youth kürzlich heraus, dass in Deutschland jeder fünfte Jugendliche mit Hilfe des Internets Hausarbeiten abschreibt und als eigene Leistungen ausgibt.