Cyberwar

"Handelsblatt": Bundesregierung plant Internet-Schutzschild

"Internet-Feuerwehr" soll im Notfall schnell eingreifen können
Von dpa / Marie-Anne Winter

Die Bundesregierung will nach einem Zeitungsbericht ähnlich wie die US-Administration ein nationales Frühwarnsystem gegen Angriffe aus dem Internet installieren. Wie das "Handelsblatt" in seiner heutigen Ausgabe unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, soll dieser Schild nicht nur Bundesbehörden, sondern auch wichtige Industriekonzerne, Banken und Infrastruktur-Unternehmen schützen.

Anders als in den USA sei zunächst nur ein Informationsaustausch auf freiwilliger Basis, keine völlige Vernetzung der verschiedenen Abwehrsysteme geplant. Die Staatssekretärin im Innenministerium, Brigitte Zypries, sagte dem in Düsseldorf erscheinenden Blatt, die Bundesregierung wolle eine nationale Infrastruktur für die bestehenden "Computer Emergency Response Teams" (Cert) schaffen. "Bislang sind die Certs Inseln, die informell miteinander kommunizieren. Wir wollen dem Ganzen einen Rahmen geben."

Die Certs sind eine Art Internet-Feuerwehr, die auf Angriffe auf Datensysteme reagieren. Das Cert für Bundesbehörden ist beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) angesiedelt. Große Konzerne wie etwa die Deutsche Telekom betreiben ihre eigenen Certs.

Die Amerikaner hatten angekündigt, einen Internet-Schutzschild zu errichten, mit dem wichtige Behörden und private Einrichtungen wie Stromversorger vor Attacken über das Internet geschützt werden sollen. Die in Frage kommenden Rechner sollen an ein übergreifendes Kontrollsystem, das so genannte Fidnet, angeschlossen werden. Die Kosten sollen zwischen 30 und 50 Milliarden Dollar betragen.

Im Gegensatz dazu will die Bundesregierung einen Cert-Verbund schaffen, in dem auf der obersten Ebene die Internet-Lagezentren des BSI, des deutschen Forschungsnetzes, eines Wirtschaftsunternehmens und eines Unternehmens aus der Kreditwirtschaft zusammengeschlossen sind. Diese vier Certs würden ihrerseits mit weiteren Lagezentren auf einer anderen Ebene kommunizieren. So soll sichergestellt werden, dass nicht jeder Hackerangriff auf eine Bank oder auf ein Unternehmen direkt auch dem Staat bekannt wird. Groß angelegte Attacken würden dagegen auf oberster Ebene kommuniziert.

In den letzten Tagen hatte es vermehrt Angriffe chinesischer Hacker auf Internet-Seiten der US Regierung gegeben. Nach Informationen des "Wall Street Journals" vom Dienstag soll es sich in den meisten Fällen um harmlosere Streiche handeln.

So erschien auf einer Webseite des Bürgermeisters von Philadelphia die Nachricht: "Nieder mit dem amerikanischen Imperialismus". Auf der Webseite des Arbeitsministeriums erschien eine Würdigung des chinesischen Piloten, der bei dem Zusammenstoß mit einem amerikanischen Spionageflugzeug ums Leben kam. Das Pentagon ist Informationen des US-Fernsehsenders ABC zufolge auf "Alarmstufe Alpha" - was immer das heißt - gegangen, um sich gegen mögliche Angriffe in den kommenden Tage zu wappnen.

Ein Experte erklärte, vermutlich gebe es noch mehr Attacken, die Regierung wolle dies aber nicht zugeben. So erklärte auch eine Sprecherin des Weißen Hauses auf Anfrage, dies seien Sicherheitsfragen, zu denen das Weiße Haus keine Angaben mache.

Nach Ansicht eines deutschen Internet-Experten handelt es sich bei den befürchteten Hacker-Attacken um eine Auseinandersetzung mit relativ primitiven Mitteln. Der Spezialist Andy Müller-Maguhn von der weltweiten Internet-Verwaltung ICANN sagte: "Da sind noch keine richtigen Computerspezialisten am Werk, sondern erboste chinesische Bürger."

Nach Informationen vom US-amerikanischen "Nationalen Zentrum zum Schutz der Infrastruktur" (NIPC) nutzen die chinesische Hacker einen "Internet-Wurm" mit dem Namen "Lion", der sich wie ein Virus auf Computern einnistet und sie damit zu unwissentlichen Komplizen einer "Denial-of-Service"-Attacke macht. Im vergangenen Jahr hatten Hacker die Webseiten der größten Internetfirmen wie Yahoo mit solchen Angriffen zusammenbrechen lassen.

Müller-Maguhn sagte, einen "Informationskrieg" zwischen Chinesen und Amerikanern gebe es bislang nicht. Er wolle die Situation aber keinesfalls verharmlosen. Gefährlich werde es erst, wenn sich "militärische Subeinheiten" beider Länder auf Computerebene bekämpfen würden, meinte der Internet-Experte. Dann könnten wichtige Systeme lahm gelegt werden.