Grauzone

E-Mails kosten Job: In Großbritannien prüfen Arbeitgeber private Mitarbeiter-Post

Bereits 61 Kündigungen erfolgt - Verstoß gegen Grundrechte-Charta der EU
Von AFP / Frank Rebenstock

Du bist bei der Arbeit und mal wieder sauer auf deinen Chef? Schnell schreibst du eine kurze E-Mail an einen Freund, um dich über den Boss zu beklagen. Zu dumm nur, dass dieser die elektronische Post auch bekommen hat. In Großbritannien ein durchaus mögliches Szenario. Dort findet derzeit eine Art Grundsatzdebatte zur Abgrenzung vom Recht auf Kontrolle des Arbeitgebers und der geschützten Privatsphäre des Mitarbeiters statt. Dabei bewegen sich beide Seiten in einer Grauzone, denn die rechtlichen Rahmenbedingungen sind noch nicht eindeutig geklärt.

Seit vergangenem Jahr erlaubt ein Gesetz britischen Arbeitgebern, die E-Mail-Korrespondenz und Internet-Nutzung ihrer Angestellten aus dienstlichen Gründen zu überwachen. Damit soll verhindert werden, dass Firmengeheimnisse nach außen dringen. So wollen sich Banken dagegen schützen, dass ihre finanziellen Transaktionen öffentlich werden und Krankenhäuser ihre Patientendaten sichern. Auf der anderen Seite steht EU-Recht. In der neuen Grundrechte-Charta ist das Recht auf eine qualifizierte Privatsphäre festgeschrieben. "Die Abgrenzung wird wohl erst in der Praxis vor Gericht erfolgen", sagt Chris Heslop. Seine Firma bietet Software an, mit der die Internet-Nutzung am Arbeitsplatz überwacht werden kann.

"E-Mails erscheinen als schnelle und ungezwungene Kommunikation, aber die meisten Nutzer wissen so gut wie nichts über die juristischen Konsequenzen von elektronischer Post", sagt Internet-Spezialist Theo Blackwell. "Bei E-Mails gelten keine formalen Konventionen. Deshalb glauben viele, ihre Post hätte rein privaten Charakter", ergänzt der Vertreter der Arbeitnehmer-Organisation Industrial Society. Doch dies sei ein Irrglaube. E-Mails könnten sehr wohl zum Kündigungsgrund werden. Wenn sie zum Beispiel obszön sind oder auf angehängten Fotos zuviel nackte Haut zu sehen ist, könne der Arbeitgeber einschreiten. In Großbritannien haben viele Firmen bereits eine Software installiert, mit der die Internet-Nutzung und die E-Post der Mitarbeiter überwacht werden können. Die Software speichert, wer wie lange im Netz war und welche Internet-Seiten angeklickt wurden. Außerdem sucht das Überwachungsprogramm nach Schlüsselwörtern wie "Sex". Egal was der Nutzer macht, ob er seine Post löscht, seine Dateien ordnungsgemäß schließt, sich ausloggt, immer hinterlässt er Spuren auf der Festplatte seines Computers. Spuren, in denen die Überwachungs-Software lesen kann, wie in einem offenen Buch.

In den vergangenen sechs Monaten verhängten Firmen mehr als hundert zeitweilige Suspendierungen vom Dienst und sprachen 61 Kündigungen aus. "Das ist erst der Anfang", sagt Netz-Experte Blackwell. "Die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher." So seien beispielsweise keine Fälle aus kleineren Unternehmen bekannt. Ein Umstand, der laut Blackwell nur daran liegen kann, dass weder Firmen noch Angestellte die Öffentlichkeit suchen. "E-Mail-Kommunikation nimmt enorm zu", sagt Chris Heslop. Neueren Untersuchungen zufolge rechnen Experten für das Jahr 2004 mit einem weltweiten Transfer von 22,2 Milliarden E-Mails täglich.

Nachdem London den Firmen die Möglichkeit gegeben hat, Mitarbeiter wegen E-Mail-Missbrauchs zu entlassen, bereitet die Regierung von Premierminister Tony Blair derzeit ein Datenschutz-Gesetz vor, das die Belange der Arbeitnehmer berücksichtigt. Es soll noch in diesem Jahr in Kraft treten. Bis dahin sollte laut Internet-Experte Blackwell jede Firma eigene Standards zum Umgang mit E-Mail-Kommunikation entwickeln.