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Auf dem Dotcom-"Friedhof" sind noch viele Plätze frei

Weihnachtsgeschäft ist Stunde der Wahrheit für E-Commerce-Firmen
Von AFP / Steffen Pospischil

Auf dem Dotcom-"Friedhof" sind noch viele Plätze frei. 43 virtuelle "Gräber" gescheiterter Internet-Firmen hat die Website dotcomfailures.com [Link entfernt] mittlerweile angelegt. Bald könnten es sehr viel mehr werden. Intersssant ist in diesem Zusammenhang auch die Seite von fucked-company.com [Link entfernt] . Das bevorstehende Weihnachtsgeschäft wird nach Einschätzung von Experten zur Stunde der Wahrheit für viele E-Commerce-Ideen werden. Vor allem kleine Firmen könnten auf der Strecke bleiben, nachdem sich zunehmend die großen, traditionellen Handelsketten im Geschäft mit dem Online-Verkauf breit machen.

Unter dem Motto "Tritt sie, wenn sie schon am Boden liegen" werden bei dotcomfailures.com Gerüchte, Halbwahrheiten oder frei Erfundenes über das Schicksal von Internet-Firmen verbreitet. In den vergangenen Monaten waren unter anderem die US-Shoppingsite Productopia.com und der Online-Schmuckhändler Miadora.com Gegenstand wilder Spekulationen. Für ihre Namen ist dotcomfailures.com mittlerweile zur letzten Ruhestätte geworden. Auch die E-Commerce-Träume von Netscape-Gründer Jim Clark liegen hier begraben: Die Website Kibu.com, für die Clark shoppingsüchtige Teenagerinnen als Zielgruppe ausgemacht hatte, erwies sich als Flop.

"Für die meisten E-Händler wird das Weihnachtsgeschäft die Entscheidung bringen", glaubt Scot Melland, Chef des US-Software-Hauses Vcommerce, das E-Commerce-Anwendungen für die Branche liefert. Im Verkauf über das Internet bringe das letzte Quartal des Jahres "bis zu 50 Prozent der Einnahmen". Wer jetzt nicht beweise, dass seine Idee funktioniere, werde von seinen Kapitalgebern kaum neues Geld zugeschossen bekommen.

"Die Konsolidierung der Industrie hat begonnen, und schwächere Akteure werden straucheln", sagt Melland. Schwierig sei für kleinere Anbieter vor allem der Vorstoß traditioneller Handelsketten wie Wal-Mart oder JCPenney ins Internet. Jürgen Kurz von der Frankfurter Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz beobachtet eine ähnliche Entwicklung in Deutschland. "Für das Geschäft insgesamt ist es positiv, dass Schwergewichte aus der Old Economy wie Karstadt da reingehen", sagt er. "Wer jetzt aber klein ist, für den wird das eine ganz harte Zeit."

Wer es indes über den Jahreswechsel schaffe, habe gute Chancen, auch weiter im Geschäft zu bleiben, meint Melland. Tatsächlich sagen Marktkenner immense Wachstumsraten im E-Commerce voraus. Forrester Research glaubt, dass im US-Weihnachtsgeschäft allein zehn Milliarden Dollar (22,4 Milliarden Mark) zu holen sind. Jupiter Communications ist noch optimistischer und rechnet mit zwölf Milliarden Dollar. Der Branchenspezialist Gartner Group sieht weltweit einen Umsatz von 19,5 Milliarden Dollar für die kommenden Monate.

Gartner Group-Expertin Geri Spieler glaubt, dass die Kunden auf dem US-Markt im dritten Jahr der E-Commerce-Revolution Lieferschwierigkeiten und fehlerbehaftete Webangebote kaum mehr verzeihen werden. Zudem hätten nach der Pleitewelle in der ersten Jahreshälfte viele Finanzgeber kalte Füße bekommen und wollten Profite sehen. "Wem im vergangenen Jahr noch vergeben wurde, der kann kaum mehr auf Nachsicht zählen. Eine zweite Chance gibt es nicht mehr."

Merrill-Lynch-Analyst Henry Blodget sagt sogar ein regelrechtes "Blutbad" unter den derzeit schätzungsweise 400 öffentlich gehandelten E-Commerce-Firmen in den USA voraus. Drei Viertel der Unternehmen haben seiner Ansicht nach keine Aussicht, jemals aus den roten Zahlen zu kommen, und würden innerhalb der nächsten fünf Jahre vom Markt verschwinden.