Wert

VoiceStream: Zahlt die Telekom zuviel?

Analysten sehen Kaufpreis als äußerst hoch - Sommer muss politischen Widerstand im Kongress ausräumen
Von AFP / Christopher Paun

Nach monatelanger Suche hat die Deutsche Telekom nun in den USA zugeschlagen. Für rund 106 Milliarden Mark will das Unternehmen den Mobilfunk-Anbieter VoiceStream kaufen und sich damit ein festes Standbein auf dem US-Markt sichern. "Großer Fang oder kleiner Fisch?", fragten sich die Analysten am Montag und gaben sich angesichts des hohen Kaufpreises zunächst zurückhaltend. Telekom-Chef Ron Sommer hofft auf ein hohes Wachstumspotenzial des bislang fünftgrößten Mobilfunkanbieters in den USA und ist sich sicher, die politischen Widerstände gegen die Übernahme in den Vereinigten Staaten überwinden zu können.

Aus der Telekom-Aktie ging nach der Übernahme-Ankündigung zunächst einmal die Luft raus. Zeitweise stand das Papier am Montag mit über acht Prozent im Minus. "Das ist auf keinen Fall ein Schnäppchen", sagt Robert Vinall von der DG Bank zu dem Kauf. Auch Telekom-Chef Sommer räumt ein, dass VoiceStream bei einem Börsenwert von zuletzt 32 Milliarden Dollar (67 Milliarden Mark) nicht gerade billig war. Besonders günstig sei derzeit aber nichts auf dem US-Markt zu haben, betont Sommer, und meint damit möglicherweise auch den US-Konkurrenten Sprint, der angeblich ebenfalls zeitweise auf Sommers Einkaufsliste stand, für den das deutsche Unternehmen aber wohl mehr als 200 Milliarden Mark hätte hinlegen müssen.

Inklusive der Schuldenübernahme zahlt Sommer für VoiceStream nun einen Gesamtpreis von 55,7 Milliarden Dollar (116,7 Milliarden Mark) pro VoiceStream-Kunde 24.217 Dollar (50.753 Mark). Für die Mobilfunkbranche ist das ein neuer Rekord. Der britische Anbieter Vodafone etwa hatte nur 3000 Dollar pro Kunde gezahlt, als er im vergangenen Jahr den US-Anbieter AirTouch übernahm, und France Télécom legte 6700 Dollar pro Kunde hin, um sich die britische Orange einzuverleiben.

Angesichts dieser Summen ist der hohe Preis nur mit strategischen Erwägungen zu begründen. Derzeit verfügt der US-Mobilfunkanbieter über 2,3 Millionen Kunden. Sommer verweist auf den "Nachholbedarf in der mobilen Sprachkommunikation" auf dem US-Markt. Schon bis zum Ende des Jahres rechne er mit vier Millionen Kunden bei VoiceStream - Tendenz steigend.

Der Grund für die Skepsis der Märkte über den Telekom-Deal war am Montag politischer Natur. Im US-Kongress läuft seit Bekanntwerden konkreter Kaufgelüste der Telekom eine Reihe von Senatoren um den Demokraten Ernest Holling gegen den Einstieg des staatlich kontrollierten Unternehmens in den US-Markt Sturm und will diesen per Gesetz verhindern. Staatlich kontrollierte ausländische Firmen hätten häufig besseren Zugang zu günstigeren Krediten und Kapital als US-Unternehmen, begründet Hollings die Initiative. Dies sei ungerecht und widerspreche dem freien Wettbewerb.

Selbst nach jetziger Rechtslage drohen bei der anstehenden Vergabe neuer Mobilfunklizenzen Meinungsverschiedenheiten: Nach Statuten der US-Aufsichtsbehörde FCC darf ein Unternehmen nicht über 25 Prozent Staatsanteil haben, um eine Lizenz zu bekommen. Selbst nach der VoiceStream-Übernahme, die vorwiegend über eine Aktientausch über die Bühne gehen soll, bleibt der Anteil des Bundes an der Telekom mit knapp 46 Prozent deutlich über dieser Marke.

"Man kann nicht ausschliessen, dass es politische Probleme geben wird", sagt deshalb Telekom-Analyst Ralf Hallmann von der Bankgesellschaft Berlin. Auf der anderen Seite des Atlantiks zeigte sich dies auch bei VoiceStream selbst: Trotz des hohen Kaufpreises, der den Kurs eigentlich in die Höhe hätte treiben müssen, verlor der Wert nach Börseneröffnung in New York um fast fünf Prozent.

Schützenhilfe bekam Sommer aus Brüssel. Am Montag warnte die Europäische Kommission die USA nochmals vor einem Verstoß gegen Regeln der Welthandelsorganisation, sollte der Verkauf torpediert werden. Nach Bananen und Rindfleisch könnte das Thema VoiceStream damit schnell zu einem neuen Dauer-Brenner in den transatlantischen Beziehungen werden.