Gärung

Bald Steuer für Surfen am Arbeitsplatz?

Eichels Ministerium will private Nutzung des Internets als "geldwerten Vorteil" anrechnen lassen
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Heute meldet die "Süddeutsche Zeitung", dass "der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Nutzung des Telefons sowie von Internet- und anderen Online-Zugängen zu privaten Zwecken" am Arbeitsplatz dem Arbeitslohn zuzurechnen sei. Dazu müsse im Zweifelsfall ein Einzelnachweis aller Telefonverbindungen und Onlinesitzungen inklusive einer Liste aller angesurften Websites geführt werden, um die betriebliche Nutzung nachzuweisen.

Ein entsprechender Erlass wurde bereits Ende Juni im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Er soll zum 1. Januar 2001 in Kraft treten. Der Erlass beweist wieder einmal, wie wenig praxistauglich unsere Steuergesetzgebung zuweilen ist.

Grundsätzlich ist es richtig, Leistungen des Arbeitgebers, die privat genutzt werden, auch privat zu versteuern. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Dienstwagen. Würden die privat gefahrenen Kilometer nicht bei der Steuer berücksichtigt, wären diejenigen, die sich ihr Auto selber kaufen, gegenüber denjenigen benachteiligt, die es von der Firma zur Verfügung gestellt bekommen.

Doch das Dienstwagen-Beispiel lässt sich nur eingeschränkt auf die Internet-Nutzung übertragen. Selbst, wenn man jeden Arbeitstag zwei Stunden lang auf Firmenkosten surft, würde es bei den heutigen Preisen eines Internetzugangs 50 bis 100 Jahre dauern, bis der Gegenwert eines Dienst-Mercedes zusammenkommt. In den nächsten Jahren werden die Kosten für den Netzzugang noch weiter sinken - und damit fällt auch der "geldwerte" Vorteil ins bodenlose.

Zudem: Welcher "geldwerte Vorteil" sollte einem Arbeitnehmer zugerechnet werden, der privat am Arbeitsplatz surft, aber zu Hause zusätzlich über eine Flatrate verfügt? Denn dieser Arbeitnehmer spart keinen Pfennig, indem er eine Webseite statt zu Hause mal schnell im Betrieb aufruft. Dasselbe gilt für einen Studenten, der nebenbei in einem Büro jobbt, da auch die meisten Unis kostenlose Surfmöglichkeiten zur Verfügung stellen.

Wie funktioniert die Rechnung, wenn der Betrieb über eine Standleitung ans Netz angeschlossen ist? Werden dann nur die Volumengebühren umgelegt? Die teltarif-Homepage mit 40 Kilobyte (inklusive Werbebanner) käme dann auf ca. 0,1 bis 0,8 Pfennig, je nachdem, welchen Preis der Provider pro Megabyte verlangt. Unterseiten von teltarif wären noch günstiger. Lohnt es sich wirklich, diese Pfennig-Bruchteile zusammenzuzählen? Ist am Schluss die Ermittlung des "geldwerten Vorteils" nicht viel teurer als die zusätzlichen Steuereinnahmen?

Auch die Trennung zwischen privater und geschäftlicher Nutzung ist oft schwer möglich. Wenn ein teltarif-Redakteur auf die Bilder von nackten Frauen auf dem Portal des Flatrate-Anbieters Erotikwelt Online klickt, ist das dann noch Recherche über diesen Anbieter oder schon Privatvergnügen? Auch teure Anrufe zu "Stöhn"-Nummern waren bei teltarif schon einmal Dienstgespräch, um das Abrechnungsgebahren eines Anbieters näher unter die Lupe nehmen zu können.

Ist es ein dienstliches oder ein privates Telefonat, wenn eine Mitarbeiterin ihre Freundin anruft, um ein geplantes Treffen zu verschieben, weil die Arbeit nicht wie geplant fertig wird und folglich Überstunden notwendig sind? Was gilt für eine Mutter, die nicht ganztags arbeitstätig sein könnte, wenn sie nicht die Möglichkeit hätte, ihre Kinder am Nachmittag nach der Schule täglich einmal oder zweimal anzurufen, zum Beispiel, um zu überprüfen, ob diese auch wie versprochen die Hausaufgaben machen? Wäre diese Mutter nicht arbeitstätig, wäre sie zu Hause, müsste also nicht anrufen. Obwohl sie privat anruft, ist ihre Arbeit der Grund, dass sie anruft.

Die Finanzverwaltung fordert, die dienstliche Veranlassung von Telefongesprächen durch Einzelnachweise der geführten Telefongespräche bzw. der angesurften Webseiten zu belegen. Solche Nachweise fallen aber unter die "elektronische Überwachung" der Arbeitnehmer und dürfen nur durchgeführt werden, wenn die Arbeitnehmer zustimmen. Gerade in öffentlichen Verwaltungen, aber auch in vielen Privatbetrieben, gibt es gewerkschaftlichen Widerstand gegen entsprechende Betriebsvereinbarungen. Wird in Betrieben ohne gewerkschaftlich genehmigten Einzelverbindungsnachweis künftig das Telefonieren untersagt oder am Ende des Monats die Telefonrechnung auf alle Mitarbeiter umgelegt?

Wenn private Telefonate vom Firmentelefon versteuert werden sollen, dann müssen konsequenterweise geschäftliche Telefonate vom Privattelefon gegengerechnet werden. Ein morgendlicher Anruf vom Prepaid-Handy ("Die U-Bahn steckt gerade fest - ich komme folglich erst später - kannst Du für mich den ersten Termin übernehmen?") für DM 1,69 die Minute kann dabei deutlich teurer sein als eine ganze Serie von Privatgesprächen vom Festnetz-Firmen-Telefon aus. Dasselbe gilt für einen Mitarbeiter, der sich nach Dienstschluss im Internet weiterbildet.

Fazit: Wenn der Erlass wie geplant in Kraft tritt, droht erheblicher Streit um Pfennigbruchteile. Die Betriebe werden mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand belastet oder sie werden die Nutzung von Telefon und Internet am Arbeitsplatz einschränken. Beides schadet der deutschen Wirtschaft.

Unabhängig davon ist Telefonieren und Surfen am Arbeitsplatz ein ernstzunehmendes Problem für die Betriebe. Wenn ein Mitarbeiter täglich zwei Stunden privat online ist, dann stehen nur noch sechs statt acht Stunden seiner Arbeitskraft dem Betrieb zur Verfügung. Verdient er laut Arbeitsvertrag 18~Mark brutto pro Stunde, dann beträgt der tägliche Schaden für den Betrieb 36~Mark zuzüglich dem Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung und den Kosten des Arbeitsplatzes (Miete, Abschreibung für Computer und Einrichtung usw.). Auch anteilige Kosten der Einarbeitung müssen umgelegt werden. Summa summarum kommen da schnell über 1000~Mark im Monat zusammen.

Schon aus diesem Grund beschränken die allermeisten Betriebe das private Surfen und Telefonieren.