Privatsphäre

Soll Handy-Überwachung die UMTS-Einnahmen steigern?

Informationen über Mobilfunkkunden sollen gesammelt werden: "Ich weiß, was er liest und wie lang er es liest"
Von Christopher Paun

75 Milliarden Mark wurden in England für die Mobilfunk-Lizenzen im neuen UMTS-Standard geboten. Das sind fast 1.300 Mark je Einwohner - vom Kleinkind bis zum Greis. In Deutschland wird es vermutlich ähnlich aussehen. Da fragt man sich natürlich, wie diese enormen Summen wieder hereingeholt werden sollen. Allein mit den Gebühren für Sprach- und Datenübertragung werden sich die Netzbetreiber wohl nicht zufrieden geben. Dann könnten sie nämlich gut und gerne bis zum Ende des Jahrzehnts auf schwarze Zahlen warten. Aber Ericsson hat schon eine Lösung parat:

Auf einer Roadshow zum Thema UMTS haben verschiedene Ericsson-Experten Allianzen und Partnerschaften gepredigt. "m-commerce" lautet das Zauberwort: Mit dem Handy surfen und einkaufen. Vom "loyalen Kunden" wurde gesprochen, von dem man nicht nur erwartet, dass er bei seinem Mobilfunk-Anbieter telefoniert, er soll auch noch bei dessen Partnern online einkaufen, Aktien ordern oder Flüge buchen. Auf die Partnerseiten gelangt er natürlich über das Portal seines Anbieters. Und den Partnern soll auch einiges geboten werden:

Im derzeitigen e-commerce über das normale Internet wisse man praktisch nichts über seine Kunden. Im Mobilfunknetz ist das hingegen anders. "Ich weiß, was er liest, und wie lang er es liest. Ich weiß, was er kauft, und was er sucht", sagte Carsten Ahrens von der Ericsson Consulting GmbH, die Firmen beim Einstieg in den m-commerce berät. Da mag so manchem das Grausen kommen. Das mobile Internet wird mit dem jetzige Internet, in dem man sich größtenteils anonym bewegen kann, kaum vergleichbar sein.

Von der Tatsache, dass man auch weiß, wo sich der Kunde aufhält und wo er war, hat Ahrens gar nicht erst gesprochen. Dazu kam es erst später, als Ericsson Consulting-Geschäftsführer Andreas Wild am Beispiel eines Last-Minute-Reisebüros die Vorteile von m-commerce erläutert hat. Wer schon öfter auf Mallorca war, dem könnte man auch ein aktuelles Schnäppchen anbieten.

Und schliesslich erläutert der anwesende Jugendforscher Thilo Hartung, dass vor allem die jungen Leute mit wenig Kaufkraft sich des Wertes der Marketingdaten bewusst seien. Sie würden bereitwillig Informationen über sich preisgeben, um so Vergünstigungen zu erhalten.

Von der Preisgabe der Privatsphäre könnte man wohl auch sprechen: "Ich weiß, was er liest, und wie lang er es liest" - wer denkt da nicht an George Orwells "Big Brother"? Da schaltet wohl der eine oder andere lieber sein Handy aus und geht per Festnetz ins Internet - ohne Überwachung. Ob das die Firmen wollen?

Ericsson versorgt übrigens D2-Mannesmann mit Netzwerktechnik. Nach den letzten Äußerungen von Fritz Joussen aus dem Hause D2 lässt sich nur sagen: Da haben sich die richtigen Partner gefunden. Aber die Vorstellungen von anderen Firmen im UMTS-Geschäft dürften wohl ähnlich aussehen. Schöne neue Welt!