Boom

Von Goldgräbern und Elefantenhochzeiten

Leitartikel: Das Übernahmefieber in der Tk-Branche näher beleuchtet
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Die Mobilfunkbranche boomt ohne Ende. Jeden Monat werden mehr Handys verkauft als im Vormonat. Bald übersteigt in Deutschland die Zahl der Handys die Zahl der Festnetzanschlüsse. In anderen Ländern ist es bereits so weit; spätestens 2004 wird es sogar weltweit mehr Mobil- als Festnetztelefone geben, sagen die Prognosen.

Mit dem Markt boomen auch die Aktienkurse. Vor kurzem hat der Börsenwert des Handy-Herstellers Nokia die Deutsche Telekom überholt. Für Mannesmann hat Vodafone Airtouch in den letzten Tagen 242,5 Milliarden Mark angeboten. Das sind über 10000 Mark pro Mannesmann-Mobilfunkkunde, wenn man die Kunden in Großbritannnien (Orange) oder Italien (Omnitel) mitrechnet. Dagegen sehen die einigen hundert Mark Handy-Subvention, die Mannesmann wie auch die anderen Mobilfunkanbieter jeweils für einen neuen Kunden zahlen, wie ein Pappenstil aus. Sind Mobilfunkkunden wirklich so wertvoll?

Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass Vodafone nur mit virtuellem Geld bezahlt. Statt barer Münze bietet Vodafone lediglich eigene Aktien im Tausch. Deswegen sollte man die ganze Aktion auch eher "Fusion" denn "Übernahme" nennen: Ist der Deal erfolgreich, würden die bisherigen Mannesmann-Aktionäre 47,2 Prozent am Gesamtkonzern halten. Das heißt, dass die Mannesmann-Eigentümer zwar 52,8 Prozent ihres Anteils an Mannesmann abgeben, aber im Gegenzug 47,2 Prozent von Vodafone erhalten. Der Deal ist also fast 50:50, wie man es bei einer friedlichen Fusion erwarten würde.

Sind die Fusionen im Tk-Markt wirklich das Allheilmittel? Im Luftfahrtbereich verfolgen die meisten Firmen eher das Konzept der Allianzen als das der Fusionen: KLM arbeitet mit Northwest zusammen, Sabena mit Delta und die Lufthansa mit United, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das Wallstreet Journal kommentierte unlängst, dass es deswegen so viele Fusionen im Tk-Bereich gäbe, weil die Allianzen nicht funktionierten. Letzteres dürfte wiederum psychologische Gründe haben: Eine Telefongesellschaft wird nicht auf eine eigene Präsenz in einem strategisch wichtigen Markt verzichten, weil sie eine Allianz hat, denn diese Allianz könnte platzen. Also werden trotz Allianz die Kabel zu allen strategischen Märkten doppelt verlegt - ein deutlicher Kostennachteil. Bei der Fusion kann man sich hingegen der Partnerschaft sicher sein; Doppelinvestitionen werden vermieden.

Ist die Fusion Mannesmann/Vodafone nun gut oder schlecht für Deutschland? Diese Frage ist schwer zu entscheiden. Mannesmann Arcor und Mannesmann Mobilfunk dürften sicherlich von der internationalen Erweiterung profitieren. Deutschland und Großbritannien sind die beiden größten Tk-Märkte Europas, und wer in beiden stark ist, kann sich mit Sicherheit als "global player" rühmen. Doch hatte Mannesmann genau wegen dem britischen Markt bereits Orange eingekauft. Aus diesem Grund ist der Deal mit Vodafone nicht so nutzbringend.

Auf der Strecke bleiben könnte vor lauter Telekommunikations-Hype aber die Sparte Mannesmann Anlagenbau, das ursprüngliche Betätigungsfeld von Mannesmann. Das wäre ein Verlust von einem guten deutschen Stück Ingenieurskunst. An der Börse sind diese klassischen Ingenieursbereiche im Vergleich zur Telekommunikation deutlich unterbewertet. Mit ein Grund dürfte geringere Publizität sein, denn letztendlich werden Börsenkauf- und Verkaufsentscheidungen von Einzelpersonen getroffen. Da ist es wichtig, wie bekannt die Firma ist. So begann die Intel-Aktie ihren Hohenflug, als der PC auch zunehmend den Heimbereich eroberte. Der deutsche Höhenflieger SAP beliefert zwar ausschließlich Geschäftskunden, die Finanz-Software von SAP begegnet aber Börsenprofis bei der täglichen Arbeit. Auch bei boomenden Internetwerten wie Yahoo oder Amazon dürfte deren große Bekanntheit erheblich zum Erfolg beigetragen haben. Anfang '98 explodierte die MobilCom-Aktie, als sich 01019 mit dem 19-Pfennig-Tarif als der bissigste Telekom-Konkurrent herumsprach.

Hoffen wir also, dass in dem Übernahmefieber um Mannesmann nicht vergessen wird, dass Mannesmann nicht nur ein Handy-Anbieter ist.