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Analyst: Viertes Netz in Deutschland? Nein Danke!

Die internationale Telekommunikationsberatung Redburn sieht keine Chance für einen vierten Netzbetreiber in Deutschland.
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Sollen echte Netzbetreiber auch virtuelle Anbieter auf ihr Netz lassen müssen? Sollen echte Netzbetreiber auch virtuelle Anbieter auf ihr Netz lassen müssen?
Foto. Deutsche Telekom
Wenn man auf die Webseiten internationaler Unternehmen schaut, findet man gut versteckt Ansprechpartner für "Analysten". Das sind teilweise hochbezahlte Wirtschaftsspezialisten, die sich börsennotierte Unternehmen sehr genau anschauen und dann Vorschläge für Unternehmensmanager und Börsenhändler, Aktienanleger, Politiker und andere am Wirtschaftsleben beteiligte Entscheider geben. Kurz, was sie schreiben, hat oft Gewicht und kann über Sein- oder Nicht-Sein von Unternehmen entscheiden.

Das international aktive Beratungs-Unternehmen Redburn hat sich den deutschen Markt genau angeschaut. Hier sollen im nächsten Jahr Lizenzen für den nächsten Mobilfunkstandard 5G vergeben werden. Im Vorfeld findet aktuell eine muntere Diskussion statt, wer alles eine Lizenz bekommen sollte und wer nicht.

Der Traum vom vierten Netzbetreiber

Sollen echte Netzbetreiber auch virtuelle Anbieter auf ihr Netz lassen müssen? Sollen echte Netzbetreiber auch virtuelle Anbieter auf ihr Netz lassen müssen?
Foto. Deutsche Telekom
1&1 Chef und Gründer Ralph Dommermuth hatte sich vor einiger Zeit einen "vierten Mobilfunkanbieter" einschließlich "National-Roaming" gewünscht, um den deutschen Mobilfunkmarkt neu zu beleben. Er erhielt jetzt Schützenhilfe vom Chef des Bundeskartellamtes Andreas Mundt, der einen vierten Anbieter für "wünschenswert" hält. Die Idee: Ein vierter Netzbetreiber startet mit wenigen eigenen Frequenzen und Standorten und darf zunächst in einem oder allen anderen Netzen "roamen", bis das vierte Netz genügend eigene Netzabdeckung aufgebaut hat. Beispiele gibt es viele: VIAG Interkom (heute o2) mit dem D1-Roaming, Orange (heute SALT) roamte einst bei Swisscom in der Schweiz und Free/Iliad darf in Frankreich (bei Orange).

Redburn hat sich nun die deutsche Situation genauer angesehen und kommt zu einem klaren Ergebnis:

"Viertes Netzwerk? Nein Danke."

In seinem an interessierte Unternehmen verschickten Newsletter stellt Redburn die Überlegung der deutschen Marktteilnehmer ("Spieler") vor: Das Bundeskartellamt hat festgetellt, dass die Frequenzauktion für 5G-Frequenzen im nächsten Jahr dafür genutzt werden sollte, um ein viertes Mobilfunknetz in den deutschen Markt einsteigen zu lassen.

"Es mag komisch klingen", findet Redburn, "aber das dürfte wenig Einfluss auf die Entscheidung der Bundesnetzagentur (BNetzA) haben, wie die Auktion ablaufen sollte." Wichtiger sei der Blick auf den Wunsch der deutschen Politik nach mehr Investitionen in schnellere Netze. Dies sei eine Schlacht, so Redburn, die das Bundeskartelamt wohl verlieren dürfte.

Das Bundeskartellamt gab in der FAZ ein Interview worin festgestellt wurde, dass die 5G Auktion (30 MHz bei 2,1 GHz, und 300 MHz zwischen 3,4 und 3,6 GHz) so angelegt werden sollte, dass es für einen vierten Mobilfunk-Netzbetreiber in Deutschland reichen würde.

Urteil: "Undurchführbar"

Redburn findet diesen Vorschlag für "undurchführbar" und kann das auch begründen:

  1. Erst vor kurzem - im Jahre 2014 - war Telefónica Deutschland erlaubt worden, E-Plus zu kaufen. Telefonica hat die letzten Jahre dazu genutzt, etwa 14 000 der insgesamt 40 000 Mobilfunk-Masten abzuschalten und abzubauen oder zu verkaufen. Es wäre extrem ineffizient für die europäischen Regulierer, erst Kostenersparnisse und effizientere Ausgaben (Capex) durch die im Jahre 2014 erlaubten Fusion zu ermöglichen, um dann 5 Jahre später wieder ein funkelnagelneues Netzwerk aus dem Nichts ("from the scratch") aufbauen zu lassen?
  2. Das amerikanische Justizministerium (DOJ) hatte kürzlich erst festgestellt, dass eine Konsolidierung von vier auf drei mobile Netze in den USA notwendig werden könnte, um schnellstens die sehr teure 5G-Infrastruktur in den USA aufbauen zu können.

Deutschland liegt weit zurück

Deutschland, so stellt Redburn weiter fest, liege schon jetzt ziemlich hinter der entwickelten Welt in Sachen mobiler und ortsfester Infrastruktur. Das sei das Ergebnis eines aggressiven regulatorischen Eingreifens in den letzten Jahren, was dazu geführt habe, dass "Reseller" wie Freenet und 1&1 Drillisch eine kombinierte Wertschöpfung (Earned Value) in Höhe von 13,2 Milliarden Euro erzielen konnten, obwohl sie doch keine eigene Infrastruktur hatten, im Vergleich zum Netzwerk-Inhaber Telefónica Deutschland, der damit "nur" 10 Milliarden Euro verdienen konnte. Wenn jetzt 5G und der Vollausbau von FTTH (in der Fläche) noch dazu kommen sollten, könne sich Deutschland einen vierten Mobilfunk-Einsteiger gar nicht leisten.

Eine Einschätzung:

Bei den derzeitigen Tiefstpreisen, wie sie vor allen Dingen im Netz von o2 möglich sind, verdienen die Service-Provider und virtuellen Netzbetreiber (ohne echtes Netz) besser, als ein realer Netzbetreiber wie o2. Günstige Preise mögen aus Kundensicht zunächst "toll" sein, langfristig sind sie ungesund. Und viele Kunden von o2 klagen immer wieder über deren mangelhaften Netzausbau. Doch nur die Allerwenigsten wechseln deswegen zur Telekom (oder Vodafone), obwohl sie deren Netzqualität durchaus zu schätzen wissen. Vielen Kunden ist es aber "der höhere Preis" nicht wert.

Was Ihr wollt

Die Politik muss sich überlegen was sie lieber will: Kurzfristig günstige Preise, die durch einen vierten Netzbetreiber am ehesten zu erwarten sind und danach fehlendes Geld für den weiteren Ausbau, einschließlich jeder Menge ungestopfter Funklöcher, oder eine Konzentration auf einen echten Netzausbau, der zwar gewisses Geld kostet, was aber die großen Anbieter nur aufbringen werden, wenn sie eine Chance sehen, diese Ausgaben nach einer gewissen Zeit wieder zurückverdienen zu können ("Return of Investment").

Außerdem: Zu einem späteren Zeitpunkt werden die Netzbetreiber wahrscheinlich auch die Service-Provider freiwillig für ihre 5G-Netze zulassen, wenn auch nicht zu den Tiefstpreisen, wie sich das einige von ihnen wünschen.

Eine Megafusion (und damit ein Anbieter weniger) muss nicht schlechtes bedeuten, in den USA baut T-Mobile (die mit Sprint zusammengehen wollen) bereits massiv die "ländlichen" Gebiete mit Mobilfunk aus. Die Fusion soll dort sogar neue zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

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