Abgelehnt

Frankreich: Vorerst keine Internetsperren für Raubkopierer

Abgeordnete lehnen Gesetzesentwurf ab, Text wird überarbeitet
Von AFP / Steffen Herget

Die französischen Abgeordneten haben überraschend ein Gesetz der konservativen Regierung gegen Raubkopierer ausgebremst, bei dem zur Strafe der Internetanschluss gesperrt werden könnte. Die Nationalversammlung lehnte den Text heute mit 21 zu 15 Stimmen ab. Die Regierung kündigte an, sie werde das Gesetz gegen das illegale Herunterladen von Musik und Filmen in wenigen Wochen zu einer erneuten Lesung vorlegen.

Raubkopierer sollten doppelt bestraft werden

Die Abgeordneten lehnten den Text ab, obwohl eine Mehrheit für das Gesetz eigentlich als sicher gegolten hatte. Deshalb war auch ein parlamentarischer "Unfall" denkbar, weil nur wenige Abgeordnete der konservativen Regierungspartei UMP zur Abstimmung anwesend waren. Zwei von ihnen stimmten gegen den Text. Kritik aus Teilen des Regierungslagers richtet sich gegen die jüngste Verschärfung des Entwurfs: Im Vermittlungsausschuss war diese Woche beschlossen worden, dass Raubkopierer, denen der Internetanschluss abgestellt wird, weiterhin für ihr Abonnement zahlen müssen. Auch UMP-Vertreter kritisierten das als "doppelte Bestrafung".

Der für die Parlamentsbeziehungen zuständige Staatssekretär, Roger Karoutchi, erklärte nach der Abstimmungsniederlage, die Regierung werde in den kommenden Wochen eine überarbeitete Fassung des Textes zur Lesung vorlegen. Die heutige Abstimmung verzögere die Annahme des Gesetzes lediglich. "Dieser Text wird natürlich auf jeden Fall angenommen werden."

Zugangssperren von bis zu einem Jahr angedacht

Die Regierung will dadurch eine Kontrollstelle einrichten, die über Verstöße gegen das Urheberrecht im Internet wacht. Wer nach zwei schriftlichen Abmahnungen nochmal beim illegalen Herunterladen auf den Computer erwischt wird, dem soll für zwei Monate bis zu einem Jahr der Internetanschluss gesperrt werden. Im Gegenzug für die verschärfte Verfolgung der Raubkopierer hatte sich die Musik- und Filmindustrie verpflichtet, ihre Angebote künftig ohne Kopierschutz auf den Markt zu bringen.

Kulturministerin Christine Albanel hatte bei den Abgeordneten noch gestern für das Gesetz geworben. Nicht nur die großen Plattenfirmen hätten etwas davon, sondern durchaus auch kleine, unabhängige Labels, sagte sie. Dem Kulturministerium zufolge soll das Gesetz zur Abschreckung dienen und das rechtmäßige Angebot an Musik und Filmen stärken.

Mehrheit der Internetnutzer ist gegen das Gesetz

Nicht nur die linken Parteien, auch Medienschaffende wie die Schauspielerin Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni, ihre Tochter, lehnen das Gesetz jedoch ab. Unter den französischen Internetnutzern sind 60 Prozent gegen das Vorhaben, wie eine gestern veröffentlichte Umfrage ergab.

Nach dem Votum von heute könnte die Regierung das Gesetz theoretisch auch zurückziehen. Bei einer erneuten Lesung dient der Text als Grundlage, den die Nationalversammlung vergangene Woche vor dem Vermittlungsausschuss angenommen hatte, also ohne die weitere Zahlung der Anschlussgebühr bei einer Internetsperre. Würde dem auch der Senat zustimmen, wäre das Gesetz angenommen - wenn nicht, ginge es ein letztes Mal in die Nationalversammlung, die das letzte Wort hätte.