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Die 5G Lüge


07.08.2022 10:50 - Gestartet von wolfbln
12x geändert, zuletzt am 07.08.2022 19:51
Ich bleibe weiter bei meiner Haltung. 5G ist gut und wichtig, aber so wie das in Deutschland verkauft oder vermarktet wird, wird das nichts.

Gründe: die (aktiven) Netzbetreiber bauen es werbewirksam aus, aber im Endeffekt spürt der Nutzer kaum eine Verbesserung auf seinen Gerät. Warum ist das so? Es fehlen zum einen sinnvolle Anwendungen für Privatnutzer oder ein Quantensprung wie von 2G auf 3G oder 3G auf 4G. Daneben gibt es aber auch hausgemachte Gründe.

Zunächst wird immer wieder mit der falschen Behauptung geworben, 5G schließe Funklöcher, was bisher einfach faktisch falsch ist. Es ist noch kein einziges Funkloch mit 5G geschlossen worden, da es meist NSA Ausbau ist und dafür 4G als Grundlage braucht. Nur Vodafone baut schon SA, aber hängt es auch nur an Bestandsmasten und erreicht damit auch kaum mehr Fläche. Auch planen Betreiber an neuen Stationen gleich mit 5G. Der 5G Ausbau ist bislang reiner Kapazitätsausbau, allerdings auch nicht ganz unwichtig bei wachsenden Datenumsatz. Diese Vermengung fördert Teltarif noch mit seinen Ausbaulisten, die das nicht differenzieren. Nur neue Standorte schließen Funklöcher und erhöhen die Verfügbarkeit, mit oder ohne 5G.

Schauen wir uns den Ausbau der (aktiven) deutschen MNOs mal genauer an.
(Anmerkung: ich ordne die jeweiligen Gründe dem Betreiber zu, wo sie am prägnantesten spürbar sind. Das soll aber nicht heißen, dass sie nicht für die anderen auch gelten können.)

(1) Telekom war es wichtig das beste, größte und schönste 5G Netz zu haben, wie uns die Werbung auch eintrichtert. Das größte haben sie auch mit >90% Abdeckung. Nur es ist überwiegend im DSS Verfahren, also Sharing des gleichen Bereichs zwischen 4G und 5G. D.h. sie haben die alte 3G Frequenz auf 2100 genommen, 3G abgeschaltet und sie auf 4G und 5G "refarmed". Jetzt gibt's fast überall 5G, aber es ist kaum spürbar schneller als gut aggregiertes 3CA oder 4CA LTE, so lange die Zelle nicht überlastet ist. Mehr noch: die Effizienzvorteile von 5G gehen bei einem 20% Signalisierungsaufwand von DSS weitgehend verloren. Ist aber eine DSS Zelle überlastet, ist das dann auch das 5G und wird langsam. Der Kunde sieht dann 5G im Display, das schleicht und sagt, das ist doch nix, wie momentan an den deutschen Küsten oder bei Großevents.

(2) Bei Vodafone stehe ich vor den Stationen und frage mich: Was soll denn das? Sie wollen immer Erster sein: erster mit 5G, mit SA usw. Da bauen sie vor 2 Jahre in Mellenthin auf Usedom 5G auf der Hochleistungsfrequenz von n78 (3600 MHz), was wirklich besser und schneller ist, aber nur sehr kleinräumig funkt. Was steht da in der Ausleuchtzone: ein großer Vodafone Mast, ein Bauernhof, Felder, Wiesen und Wälder - weiter reicht es nicht. Wieso braucht man dort das leistungsfähigste 5G, das wir haben? An Verkehrsknotenpunkten, Flughäfen, Bahnhöfen, Innenstädten, Stadien, Großevents usw. keine Frage, aber doch nicht dort in der Pampa.

Oder bei mir zu Hause in Berlin haben sie gerade ihre Basisstation umgebaut. Die alten Antennen runter, neue drauf. Folge: 1 Woche Funkloch. Jetzt habe ich statt 3 LTE-Bänder eben 4 und dazu noch 3 5G Bänder + GSM, ihre neue City-Standardkonfi. Nur bei mir gibt's kaum VF-Kunden, allesamt ein niedriger zweistelliger Marktanteil, Zellen war jetzt schon immer leer, nachts wurde nur noch 1 LTE Band eingeschaltet (B20) aus Energiespargründen und das reichte dicke. Warum hängen die dann noch mehr dran? Sie haben dagegen zu wenige Standorte in der Großstadt: in Berlin nur gut ½ der Standorte von o2 und nur 1/3 von Telekom (incl. Mikrozellen). Mehr Basisstationen würden den Empfang verbessern, aber nicht mehr Bänder an der bestehenden, wenn man daher schon bisher >200 Mbit/s im Download bekommt. Der deutsche 5G Ausbau ist eher mehr an Bestandsstandorte zu hängen als etwa neue Standorte zu entwickeln.

(3) o2/Telefónica. Die haben erstmal meiner Meinung nach alles richtig gemacht. Am Anfang haben sie n78 auf 3500 MHz als Hochleistungsfrequenz in den Städte breit ausgerollt an ihren wichtigsten Datenumschlagplätzen. Dort wo sie viele Kunden haben und das Netz am Anschlag war. Sie haben damit das Netz wirklich beschleunigt und stabilisiert. Effektiv liegt jetzt ein 4G/5G-Mix Teppich über Berlin, München und Hamburg usw., der besser und schneller ist als bei o2 je zuvor. Allerdings wirken die n78-Zellen nur sehr kleinräumig im Viertel. Wenn überall in Städten 5G im n78 funken soll, müssten sie in den Innenstädten viel enger ausbauen, praktisch in jeden zweite
Viertel ein Sender. So ist es effektiv ein 4G/5G-Mix, auch wenn die Anzeige meist auf "5G" bleibt, wieder weil die ULI-Signalisierung dafür aus der 5G-bereiten 4G-Zelle kommt, egal ob man 5G nun bekommt oder nicht.

Die Crux bei o2 liegt wieder einmal auf dem Land. Dort gibt es noch viele Stationen, die gerade nur ein Band im LTE haben (meist Band 20) und wenn nun mehr als ein paar wenige o2-Kunden dort wohnen, dafür sorgen, dass der Sektor langsam zuläuft d.h. überlastet ist und langsam wird, denn o2-Kunden sind traditionell sehr datenhungrig. Was machen sie jetzt? Man könnte ja zweites LTE Band dazu bauen, passiert auch manchmal, aber die neue o2 Standardkonfig für das Land sieht jetzt primär einen 5G Ausbau vor. Ok, kann man auch machen. Dafür nehmen sie Band 28 auf 700 MHz, das ähnlich gute Flächeneigenschaften wie ihr LTE auf B20 hat. Könnte ja klappen, zumindest gibt es kein DSS wie bei den anderen Anbietern, sondern pures 5G im Band 28. Da der Ausbau wieder NSA ist, braucht das n28 aber eben LTE/4G zum ankern und das geht nur im LTE Band 20 auf 800 MHz, weil es ja sonst nix mit 4G gibt. Nur: die Kombi: n28 5G auf 700 MHz ankert im Band 20 LTE auf 800 MHz (im Fachjargon: Lowband ENDC) genannt, können kaum aktuelle 5G-Handys. Weder die neuesten iPhones noch viele andere teure "5G" Geräte. Nur einige Huaweis, Samsungs, Sonys, Oppos, One Plus oder Xiaomis kriegen das hin. Aus der Top 10 der "5G" Verkaufscharts von o2 sind das 3 Geräte von Vodafone 2 Geräte, die das gesamte 5G Netz des Betreibers abbilden können. Bei o2 wird das flächenmäßig sogar ein größerer Teil werden, der mit ihren "5G"-Geräten nur auf 4G läuft als im 5G. Der Clou: durch die ULI-Signalisierung aus der 4G Zelle, dass sie 5G-ready ist, bekommen viele Handys die "5G" Anzeige in ihre Statusleiste, verharren aber weiter im 4G, das bekanntlich voll läuft, dadurch langsam wird und der Kunde sagt: "5G taugt nix, weil es ist ja genauso langsam wie 4G." Ist ja auch nur 4G, denn dieses 5G kann das Endgerät eben nicht.

(4) 1&1/Drillisch
Hier kann man noch nicht viel sagen, denn es gibt bisher kaum Sender, geschweige denn ein Netz. Die Enttäuschung ist aber schon vorprogrammiert, auch wenn ihr Netzausbau dereinst gelingt: Momentan verkauft 1&1 massenweise "5G"-Verträge. Die werden inzwischen ausschließlich über den MVNO-Vertrag im Telefónica Netz geschaltet. Alles gut: der Kunde bekommt jetzt o2-5G, wo vorhanden. In 1-3 Jahren werden allerdings die 1&1 Kunden mit neuen SIM-Karten ins eigene Netz zwangsmigriert. Dann gilt nicht mehr der MVNO sondern der National Roaming Vertrag mit Telefonica und der beinhaltet eben nur 2G und 4G und schließt o2 5G aus. Der Kunde ist also von da an bezüglich 5G komplett von 1&1 abhängig. Da kommt der Ausbauhorizont ins Spiel: Telefonica behauptet 50% Bevölkerung heute schon mit 5G abzudecken (ob das stimmt sei mal dahingestellt), 1&1 hat das bis 2030 vor, also in 8 Jahren. Bis dahin haben sich die Leute an 5G gewöhnt, neue Geräte angeschafft etc. und fallen doch zumeist ins 4G zurück.

Das ist doch alles nix. Keine Frage: 5G ist besser, leistungsfähiger und die Zukunft. Ich selbst habe aufgrund der schwachen Vorteile lange am Sinn von 5G gezweifelt, aber die Vorteile sind langfristig ganz klar: Wer das nicht glaubt, kann gerade mal nach Polen an die Ostseeküste fahren. Da verzehnfachen sich die Besucherzahlen in den Sommerferien und alle 4 Netze sind komplett "dicht" d.h. abends geht gar nichts mehr, obwohl sie jeweils mit vollen 4G-Spektrum vor Ort stehen. Polen hat sehr billige Preise für Mobilfunk und den 5G Ausbau verpennt. Da hilft nur jetzt 5G zuzubauen, so schnell wie möglich, weil das 4G einfach am Anschlag ist. Bei uns ist das aber bisher gar nicht der Fall.