Benutzer Münchhausen schrieb:
Was hätte Russland denn tun sollen? Etwa zuschauen, wie die Amerikaner vor der eigenen Haustür, Bio-Waffen entwickeln? Näher konnte man Russland nicht auf der Nase herumtanzen. Mit genau diesem - aber damals eben erlogenen Argument - haben die Amis den Irak angegriffen.
https://www.welt.de/politik/ausland/article237412761/Victoria-Nuland-USA-warnen-vor-russischer-Eroberung-von-Forschungseinrichtungen-in-der-Ukraine.html
Man glaubt es kaum, solche Worte in Deutschland zu lesen. Als kleinen Hinweis möchte ich anmerken, daß ich 1996/97 ein Jahr in Finnland studiert habe. Finnland war bis 1917 russische Provinz und wurde am 6. Dezember unabhängig. Es gab zwei Kriege gegen die Sowjetunion Stalins ohne klaren Sieger (Winter War, Continuation War). In Finnland in den Neunzigern (und früher ebenfalls) war immer Rußland der potentielle Gegner. Die Armee hat nie bei Übungen in Richtung Westen (Schweden) gezielt und die Wehrpflichtigen lernten "Ruki wwerch" "Hände hoch" und nicht das schwedische Wort. Mit Schweden ist man kulturell und wirtschaftlich eng verbunden.
In 1997 bin ich ins Baltikum gefahren und habe dort das KGB-Museum in Riga besucht. Ich würde das jedem empfehlen. Der KGB Stalins hat systematisch gefoltert und die ganze Sowjetzeit war man als Balte (Litauer, Lette, Este) Gast im eigenen Land, denn in wichtigen Positionen kamen nur ethnische Russen. Anfang der Neunziger haben sich die Balten aus dieser jahrzehntelangen sehr negativen Erfahrung von der Sowjetunion losgesagt und sind unabhängig geworden. Diese Länder haben kulturell mit der Sowjetunion oder Rußland nichts gemeinsam. Sprechen sie mal mit einem Überlebenden Folteropfer von Stalins Geheimdienst oder ethnischen Balten. Die Balten wissen, daß Deutschland mit seinem pazifistischen Gehampel und einer kampfunfähigen Bundeswehr nicht beabsichtigt das Deutsche Reich wiederherzustellen während Wladimir Stalinowitsch Putin das beabsichtigt. Die wissen sehr gut, warum sie sich dem Westen zugewandt haben und nicht dem zutiefst korrupten Rußland.
In 1999/2000 war ich später nochmal ein halbes Jahr in St. Petersburg. Das Russisch ist vergessen, aber ich habe das Land kennengelernt. Was war damals eine größere Bedrohung für Ausländer als Straßenräuber? Die Straßenräuber in Uniform. Die Miliz (russische Polizei) hat nämlich bevorzugt Ausländer kontrolliert und das einzig wirklich kontrollierte waren die Portemonnaies, die man ohne Inhalt zurückbekam. Ich habe ein halbes Jahr nur rund 30 Euro täglich mitgenommen, um bei einem Raub durch die Polizei nicht zu viel zu verlieren. Ich bin wenige Tage vor der Einführung von Putin als regulärer Präsident gegangen. Danach wurde es schlimmer, denn die Polizei hat bei Kontrollen/Durchsuchungen den Paß mit dem Visum beschlagnahmt und nur gegen "Lösegeld" wieder rausgegeben. Und ich habe das nicht in der Zeitung gelesen sondern meinem ehemaligen Zimmergenossen im Wohnheim ist das mehrfach passiert. Und durch persönliche Berichte weiß ich, daß Tschetschenen und andere kaukasische Völker oder Kirgisen/Usbeken/Tadschiken noch mehr Freiwild waren als wir Ausländer.
Also wer mir erklärt, daß der Natobeitritt der Esten/Letten/Litauer eine Provokation für Rußland war, hat noch nicht mit Menschen dort gesprochen. Kann ich nur empfehlen! Das öffnet die Augen gegenüber Putins Propagandamärchen. In meiner Zeit damals gab es noch NTW (unabhängiger Fernsehkanal) der mit seinen kritischen Berichten über den ersten Tschetschenienkrieg für die alte Regierung ein Problem war. Wurde mit Putin bald "Kaltgestellt". Und wenn russische Zeitungen bei einem massiven Krieg das Wort "Krieg" nicht nennen dürfen, spricht das nicht für Meinungsfreiheit.
Übrigens hat Rußland die Krim annektiert und damit erst den dringenden Wunsch der Ukraine nach einem Natobeitritt erzeugt. Hier darf man nicht Ursache (Annexion der Krim) und Wirkung (Natobeitritt) verwechseln.
Im übrigen lobt Putin die Neutralität Schwedens als Modell für die Ukraine. Warum fliegen dann russische Kampfflugzeuge regelmäßig Scheinangriffe auf Schweden? Warum bedroht Rußland Schweden indirekt mit Atomangriffen, wenn man in Schweden über einen schwedischen Natobeitritt diskutiert anstatt die Neutralität zu loben und alles Militär einen großen Bogen um den schwedischen Luftraum/Seegebiet machen zu lassen? So fördert man den Wunsch für den NATO-Betritt. Aber Putin kennt nur drohen und eine Sprache der Gewalt. Versöhnung und Zusammenarbeit kennt der nicht. Damit drängt er seine Nachbarn aber zur NATO. Und in Kiew war ich noch nicht, aber so wie ich Rußland in 1999/2000 persönlich kennengelernt habe, treffen die Berichte der westlichen Zeitungen über den Krieg voll und ganz zu.
Während meines Rußlandaufenthaltes in 1999/2000 sind wir für eine Woche zum Elbrus (Republik Kabardino-Balkarien) gereist. Es war aufschlußreich, wie sich das russische Militär dort präsentiert hat und die Einheimischen an den Rand gedrängt hat.
Ich empfehle dringend sich einmal als Helfer/persönl. Betreuer für die Geflüchteten zur Verfügung zu stellen und mit den Leuten zu reden anstatt Putins Propagandamärchen zu glauben. Ich erwäge es, aber die wollen sicherlich nicht mehr mit mir auf Russisch reden. Das kann ich kaum noch, aber ukrainisch ist anders.
Also nach meiner persönlichen Erfahrung mit Rußland - wo mich die Miliz (Polizei) potentiell bedroht hat und einmal "ausgenommen" - und meinen Erlebnisse im Baltikum glaube ich Putins Propaganda kein Wort. Straßenräuber (Zigeuner) haben es auch einmal mit Raub versucht, aber da konnte ich mich mit Tritten und Schreien wehren. Bei der Miliz (Staatsmacht) geht das nicht.
Viele Grüße