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Die Abo-Seuche und deren Folgen


20.12.2018 06:01 - Gestartet von DL7FOS
Zunächst stelle ich folgendes fest: Microsoft war kurzzeitig sogar wertvoller als Apple, um Einnahmeprobleme muss man sich in Redmond also weniger sorgen. Weiterhin stelle ich fest, dass seit Office 2019 eine Art Rückwärtsrolle zum Abomodell gemacht wurde, man setzt wieder verstärkt auf Verkaufsversionen. Bei Apple sieht man, dass exorbitante Preiserhöhungen zwar die Aktionäre zufriedenstellen, sinkende Marktanteile allerdings die Folge sind, weshalb man auch keine Geräteverkaufszahlen mehr veröffentlicht. Im Gegenzug hat die aggressive Werbung bei Apple ebenso wenig gefruchtet, dass man nun selbst gegen eigene Regeln verstößt und in den USA die hauseigenen Dienste per Push bewirbt und das nicht zu knapp.

Zusammenfassend könnte man schreiben, dass sich die IT-Größen durch kurzfristige Fehlentscheidungen selbst ins Abseits manövriert, was sicherlich eine ganze Zeit gut gehen wird. Die Nutzer befinden sich in einer gnadenlosen Abhängigkeit, so dass niemand wohl freiwillig auf Windows oder macOS verzichten wird. Selbst Einwegcomputer ohne austauschbare SSD und mit fest verlöteten Akkus und RAM akzeptiert der Kunde und bezahlt dafür zumindest heute noch richtig viel Geld. Das kann Microsoft von seinen Hardwareverkäufen jedenfalls nicht behaupten.

Wer sich wie ich aufmerksam die Lizenzbedingungen von Windows 10 schon vor zwei Jahren durchgelesen hat, weiß um den Passus, dass Updates begrenzt kostenlos zur Verfügung gestellt werden, so lange der Nutzungsvertrag gültig ist. Wer daraus schon damals keine Überlegungen zu einem Abo-Modell abgeleitet hat, sollte über diesen Passus etwas länger nachdenken. Dieser ermöglicht es ganz legal von heute auf morgen, allen Windows-Nutzern die Updates vorzuenthalten, wenn sie nicht eine Gebühr entrichten. Das war bei Apple früher üblich, man kaufte ein Mountain Lion auf DVD, bei Windows wurden alle paar Jahre mal für eine komplett neue Version Zahlungen üblich. Die 2015 getroffene Aussage, Windows 10 sei das letzte Windows, hat mich immerhin aufhorchen lassen.

Im Gegensatz dazu hat sich ein Dilemma bei der Softwareindustrie eingestellt. Computer werden nicht mehr so häufig ausgetauscht und daher werden auch nicht immer neue Lizenzen abgesetzt. Apps sind für ein paar Cent erhältlich und so wird dem Konsumenten suggeriert, dass Software nicht viel in der Entwicklung kostet. Freemium und andere schleichende, milliardenschwere Geldeinnahmen erkennt der Konsument nicht, getreu dem Motto in der Bibel: "Du sollst auch an die Dinge glauben, die du nicht siehst", was in der Praxis und insbesondere bei nicht anfassbaren Gütern klappt.

Nehmen wir mal an, Microsoft ginge bei Windows 10 tatsächlich dazu über, Updates nur noch gegen Geld auszurollen. Was würde passieren? - Nein, die Leute würden nicht auf macOS Umsteigen, es sei denn, Apple besinnt sich zurück auf die Wurzeln und die Heucheleien der Nachhaltigkeit und Kundenorientierung würden Realität werden. Viel mehr glaube ich, dass ChromeOS und zukünftige Betriebssysteme von Facebook und Amazon, die kostenfrei den Herstellern überlassen werden, Windows ganz schnell obsolet machen können. Wenn man noch eine Emulator-Firma kauft, die x86-Code ausführbar macht, wäre 95% der Privathaushalte geholfen und Microsoft entgingen mittelfristig massive Marktanteile. Wenn große Hersteller, wie Lenovo oder HP, pro Rechner 15 Dollar einsparen können, wäre das für ein stabiles System sicherlich attraktiv. Dass Nutzer mit ihren Daten bezahlen, kümmert Dank Echo eh keinen mehr.

Von daher sind diese Überlegungen sicher nicht von der Hand zu weisen, aber auch für die IT-Industrie gilt der alte Spruch: "Nichts währt ewig", das hätte sich auch der Bergbau und die Stahlindustrie nie träumen lassen. Eine Fehlentscheidung eines selbst überlegenen Unternehmens kann sich nachhaltig rechen. Anfang des letzten Jahrzehnts hätte wohl auch niemand gedacht, dass Samsung und LG irgendwann bedeutende Hersteller werden würden, Nokia hingegen in die Bedeutungslosigkeit verfällt. Den Neuanfang von HMD kann man nicht zählen, das ist ja nicht mehr Nokia im Ursprung. Auf der EXPO 2000 in Hannover hatte Nokia noch den finnischen Pavillon ausgerichtet.