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Ein kopfloses Feature mit Köpfchen


28.12.2017 10:42 - Gestartet von DL7FOS
Natürlich, Akkus verlieren an Performance, das ist seit Jahrzehnten bekannt. Schon Sony hatte mit Stamina eine Technologie in Camcordern eingebaut, welche den Akku bei einer gewissen Anzahl von Ladezyklen einfach abschaltet und nicht mehr lädt. Heute nutzen wir mehr Akkus denn je, aber die Physik lässt sich bekanntlich nur schwer überlisten und somit steigt die Anzahl Akkus ungleich zum technischen Fortschritt an.

Stellt man sich die Frage, ob die Industrie oder der Konsument der Dümmere ist, könnte man zunächst den Konsumenten verurteilen. Er gibt gerade für das iPhone eine große Stange Geld aus, nimmt einen fest verbauten Akku in Kauf und gerade dieser Apple-Nerd ist derjenige, der am lautesten Kritik übt, bevor er das nächste Modell bestellt hat. Denn eigentlich ist ja alles gar nicht so schlimm und der Akku überlebt ohnehin die kurze Nutzungsdauer. So könnte man meinen, wäre da nicht die Forschung, die man ja mit dem Kauf der überteuerten Hardware finanziert.

Smartphones gibt es ja nicht erst seit dem iPhone. Schon vor 20 Jahren gab es den Communicator und HTC brachte vor 15 Jahren den MDA, ein Smartphone mit Touchscreen auf den Markt, dessen Laufzeiten aufgrund des Farbdisplays nicht ewig lang war. Dafür sorgten wenig stromsparende Xscale-CPUs und im Vergleich zu heute stromhungrige LED-Beleuchtung. War das Smartphone nicht in Benutzung, triggerte es Mittels Exchange nach Mails und die Standorterkennung im Hintergrund gab es nicht. Heute aber haben wir ein Smartphone, das dutzende Apps beherbergt, von denen ein Großteil im Hintergrund aktiv sind. Messenger-Dienste und Datenkraken möchten am Liebsten ständig wissen, wo wir sind und so wecken Features unsere Geräte aus dem Tiefschlaf, obwohl wir sie nicht benutzen. So hält der Akku eines iPhone 7 Plus mit 3.000 mAh bei Nichtbenutzung ungleich länger, als wenn wir es täglich einsetzen. Das Problem ist, dass wir als Nutzer weder entscheiden dürfen, ob unser Gerät nun im Tiefschlaf sein soll, noch ob es gedrosselt wird. Apple hilft uns da gerne wie eine Mutter ohne Brust und diktiert uns, wie üblich seit Jahrzehnten, alles vor und entmündigt fortan den Nutzer. Aber diesen stört das nicht, Luxus ist dem Anwender wichtiger und ersetzt den logischen Verstand, weshalb er auch das künftige iPhone sein Eigen nennen möchte.

Jeder weiß doch, wie kurz ein Smartphone läuft. Was aber perfide an der Sache ist, dass eben nicht jeder weiß, dass die CPUs oft höher takten und den Akku ohnehin schneller entladen, als es überhaupt notwendig wäre. Das heißt, dass Leistung verpufft, weil die gerade genutzte App beispielsweise beim Lesen überhaupt keine Prozessorleistung braucht oder die Hintergrundanwendung überhaupt gar nicht benötigt wird. Und wird das Smartphone aufgeweckt, kommen weitere neugierigen Dienste und helfen beim Entladen fleißig mit. Ein Stromsparmodus bekomme ich angeboten, wenn der Akkustand bei 20% ist. Aber warum darf ich auch nicht bei einem Neugerät auswählen, welche Dienste wann aktiv sind, dass das Gerät in einen extremen Tiefschlaf geht, wenn ich es auf die Nase lege oder einfach nicht berühre. Das bleibt mir verwehrt, mein Smartphone macht, was es will und obsolesziert sich quasi selbst.

Nun will Apple mir helfen und animiert mich zu einem Neukauf, indem mein Gerät in der Leistung beschränkt werden soll. Da lässt man Entwickler daran arbeiten, um das Problem quasi einzuprogrammieren, als realistische Akkupreise aufzurufen. Oder könnte es sein, dass Apple gar nicht weiß, was sie machen? Erinnern wir uns an das Austauschprogramm der iPhone 6s-Akkus, wäre das doch wohl gar nicht nötig gewesen.

Verdammt nochmal, wenn ich ein Premium-Produkt für 1.000 Euro kaufe, erwarte ich gewisse Eingriffsmöglichkeiten. Ich will an meinem iPhone 7 Plus auch jetzt gerne meinen Akku drosseln, um die Laufzeit bei einem gesunden Akku auch deutlich zu verlängern. Aber das erlaubt mir der kanadische Diktator leider nicht, ebenso wenig wie das Nachrüsten sündhaft teurer Notebooks im Workstation-Preissegment. Und die Kunden sind so blöd, regen sich über ein Jahrzehnt über fest verbaute Akkus auf, die man meiden möchte und meidet sie schlussendlich doch nicht. Dann kommt die Industrie und sagt: Der Kunde ist mündig, man möchte ja fest verbaute Akkus, deren Haltbarkeit begrenzt ist und wir diesem Trend entgegen wirken, indem wir den Kunden die ursprünglich versprochenen Geräteleistung berauben. Und alles bleibt gut, da man im Zuge des Informations-Überflusses den Aufreger ohnehin nach vier Wochen vergessen hat und sich erneut wundert, warum die Geräte plötzlich wieder so langsam werden.