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Die Lüge vom "guten Netzausbau"


03.10.2017 13:11 - Gestartet von bjwei
einmal geändert am 03.10.2017 13:11
Regelmäßig wird in den Medien der schlechte Stand der Internetversorgung erörtert.
Als Vorstandsmitglied einer kleinen dörflichen Antennengemeinschaft möchte ich mich deshalb zu den "sehr gut" versorgten Gebieten des Erzgebirges äußern,
die in diversen Quellen (Breitbandatlas usw.) mit bis zu 100MBit/s (blau) ausgewiesen werden.
Wenn man unter "gutem Netzausbau" versteht, daß eine Antennengemeinschaft für das Verteilnetz (Telekom-Jargon "letzte Meile") zuständig ist,
dann ergeben sich einige Probleme.
Zunächst sind wesentliche Teile des Netzes, nämlich die Erdkabel, aus Kostengründen kaum komplett zu erneuern.
Alte Kabel haben aber auf Grund von Feuchtigkeit, mechanischen und Überspannungsschäden oft eine Dämpfung, die zusätzliche Verstärker nötig macht und zu Fehlern führt.
Diese Verstärker sitzen zudem meist an Stellen, die einen Zugang zu Privaträumen erfordert, wenn eine Fehlersuche und -behebung erfolgen muß, weiterhin ergibt sich eine erhöhte Anfälligkeit durch deren Stromversorgung aus der Privatanlage.
Auch können Manipulationen und daraus entstehende Fehler, sei es auch Unwissenheit oder Vorsatz, nicht ausgeschlossen werden.
Die ständige Überwachung und Fehlerbeseitigung machen in unserem Falle zwei Vorstandsmitglieder ehrenamtlich gegen eine geringe Aufwandsentschädigung, einer ist rüstiger Rentner, der andere voll berufstätig und damit nur bedingt verfügbar.
Wir betreiben seit etwa zehn Jahren keine eigene Kopfstelle mehr, sondern beziehen alle Signale, also Fernsehen, Hörfunk und Internet, als Multiplex über Glasfaser von einem regionalen Anbieter ohne eigene Netze in den meisten Orten.
Mit diesem arbeiten wir seit Jahren gut zusammen, was für uns zunächst einen großen finanziellen Vorteil darstellt und auch die Zuverlässigkeit erhöht, mittels DOCSIS 3.0 sind nun Datenraten bis zu 100 MBit/s möglich.
Sollten wir aber bei allen schon geschilderten technischen Problemen künftig selbst nicht mehr die Wartung sicherstellen können, würde das eben dieser regionale Anbieter zwar übernehmen, die Kosten allerdings liegen beim Vielfachen unseres rüstigen Rentners.
Und genau dann wäre Schluß mit dem schnellen Internet, denn wir können unsere derzeitige Jahresgebühr von 100 Euro nicht beliebig steigern, da die Teilnehmer ja an den regionalen Anbieter auch noch ihre monatlichen Gebühren von bis zu 40 Euro je nach gebuchter Geschwindigkeit zahlen müssen.
Das Problem ist also nicht in erster Linie die erreichbare Geschwindigkeit, sondern die nicht gegebene Zuverlässigkeit!
Nun könnte man meinen, der Ausweg sei ganz einfach, indem sich unsere und andere Antennengemeinschaften einfach auflösen und ihre Netze an den Regionalanbieter geben, der dann als Profi ein Regionalnetz daraus macht und die Infrastruktur entsprechend umbaut, um die genannten Probleme zu beseitigen.
Genau das aber haben wir versucht zu verhandeln und nicht erreichen können, denn der Verteilnetzumbau und -betrieb sind teuer und unrentabel, genau wie bei der Deutschen Telekom und anderen.
Es gibt also nur eine Alternative - Wettbewerb!
Und genau der ist nicht möglich, da die Telekom vor 20 Jahren unser Gebiet mit OPAL/HYTAS-Technik erschloß, um schnell viele Telefonieanschlüsse zu ermöglichen.
Das rächt sich jetzt, da diese Technik inkompatibel zu DSL ist, ein möglicher Umbau wie in Dresden stellt sich in dünn besiedeltem Gebiet zu teuer dar.
Da aber die Fördergelder für die Glasanbindung unserer Kopfstelle verbraucht sind, zählen wir jetzt nicht nur als "sehr gut" versorgt, sondern können auch nicht mit einem baldigen (ggf. geförderten) Telekomausbau rechnen.
Daß es auch anders geht und manche Bürgermeister mehr Weitblick haben, sieht man übrigens am Amtsberger Beispiel, wo man die Fördergelder nutzt, um Glas gleich bis zum Kunden auszubauen.
Und auch für die Bundespolitik, die sich das Thema ja gern auf die Fahnen schreibt, gäbe es eine ganz einfache Lösung.
Man bräuchte nur das Telekommunikationsgesetz dahingehend zu ändern, daß die Breitband- wie bisher schon die Telefonieversorgung zur Universaldienstleistung und damit zur Grundversorgung definiert wird, aber dazu ist diese Regierung wohl zu wirtschaftsnah.