Benutzer spl schrieb:
Benutzer GKr schrieb:
Jeder kann nur für sich selbst sprechen. "Ich nehme lieber einen Anschlag in Kauf" sagst Du. Meinst Du einen, bei dem Du Opfer sein könntest? Oder Deine Lieben? Oder meinst Du einen anonymen Anschlag mit "Opfern"? Von denen Du niemanden kennst?
Ich möchte keinen Anschlag in Kauf nehmen.
Darf ich Ihnen aus einem Buch über die Vorratsspeicherung von TK-Daten und Bürgerrechte, erschienen 2005 im Rhombos-Verlag, S. 29 ff., zitieren?
"1. Meinungsbild der Bevölkerung und der Volksvertreter
Aus Sicht der Bürger gibt es Argumente für und gegen stärkere Zugriffsmöglichkeiten des Staates auf Telekommunikationsdaten. Im Mittelpunkt der Diskussion steht aus Sicht der meisten Bürger ihre Sicherheit. Meistens werden erweiterte Überwachungsbefugnisse daher von der Bevölkerung begrüßt, vor allem, wenn sie von den politisch Verantwortlichen einseitig 'verkauft' werden. Das Sicherheitsbedürfnis und die Gefühle von Unsicherheit und Furcht vor Kriminalität sind in der Bevölkerung stark ausgeprägt, jedenfalls wenn durch die Art der Fragestellung an allgemeine Ängste appelliert wird.
75% der Befragten bezeichneten die Kriminalität in einer Umfrage als 'Problem'. Obwohl Deutschland im weltweiten und europäischen Vergleich zu den Staaten mit der geringsten Kriminalität gehört, haben die Deutschen die größte Angst davor. Während die Zahlen der Kriminalitätsstatistik in den vergangenen Jahren in etwa stabil geblieben sind, sind die Sicherheitsängste der Bürger sogar noch erheblich angestiegen. Dass das subjektive Sicherheitsgefühl in keinem Zusammenhang mit der Lage in der Realität steht, ist dementsprechend allgemein anerkannt. Verbreitet wird in der Bevölkerung angenommen, dass das Ausmaß an Kriminalität im Steigen begriffen sei, obwohl dafür - auch unter Berücksichtigung der Dunkelziffer - keine durchgreifenden Anhaltspunkte ersichtlich sind. Auch das absolute Ausmaß von Kriminalität wird in der Bevölkerung regelmäßig weit überschätzt.
Paradoxerweise sind Deutsche mit ihrem eigenen Leben und der Sicherheit in ihrem Wohngebiet meist zufrieden, denken aber gleichzeitig, Deutschland insgesamt gehe es schlecht und es sei unsicher. Fragt man allerdings umfassend nach persönlichen Ängsten und Sorgen der Deutschen, dann taucht die Kriminalität im Vergleich zu anderen Lebensrisiken (Straßenverkehr, Erkrankung, Pflegebedürftigkeit) und gesellschaftlichen Problemen (Arbeitslosigkeit, Inflation, politischer Extremismus, Krieg) nur unter 'ferner liefen' auf. Dies zeigt, dass sich das in der Bevölkerung verbreitete Gefühl von Bedrohung nicht speziell auf die Kriminalität bezieht, sondern dass es sich um ein allgemeines Unsicherheitsgefühl handelt.
Im Widerspruch zur öffentlichen Meinung steht auch, dass die Wissenschaft trotz intensiver Forschung keine empirischen Anhaltspunkte für die Annahme gefunden hat, dass mit härteren Strafen eine sinkende Kriminalität einhergehe oder dass mildere Sanktionen zu einer höheren Kriminalität führten. Die Plausibilität dieses Befundes wird am Beispiel der USA deutlich, wo die Kriminalität laut Statistik erheblich höher als in Deutschland ist, obwohl sich dort ein weltweit einmaliger Anteil der Bevölkerung im Freiheitsentzug befindet.
Unbeeinflusst von wissenschaftlichen Erkenntnissen verkennen viele Bürger, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann, in einer Demokratie ebenso wenig wie in einem totalitären Staat. Die Mehrheit der Bürger ist stets bereit, Sicherheit auf Kosten der Freiheit zu gewinnen. Dies zeigen Äußerungen wie: 'Die Kameras stören mich nicht, ich fühle mich sicherer'. Dass die Politik dem weitgehend folgt, ist in einer Demokratie bis zu einem gewissen Grad nicht außergewöhnlich, gerade in einem politischen System, in dem die Volksvertretung und andere politische Ämter als hauptberufliche Tätigkeit wahrgenommen werden. Volksvertreter fordern und verabschieden dementsprechend immer wieder Gesetze zur 'Verbrechensbekämpfung', die Tatkraft und Entschlossenheit symbolisieren und im Bereich der Überwachung auch kaum sichtbare Kosten mit sich bringen.
Damit aber wird das mittel- und langfristige Vertrauen in die Politik für den kurzfristigen Wahlerfolg geopfert, weil die überzogenen Sicherheitsversprechen zwangsläufig nicht eingelöst werden können. Selbst bei den Sicherheitsbehörden dürfte es einhellige Meinung sein, dass neue Befugnisse allenfalls zu einer allmählichen und graduellen Zurückdrängung der Kriminalität führen können, nicht aber zu ihrer weitgehenden Unterbindung innerhalb weniger Jahre, wie es den Bürgern von manchen Politikern suggeriert wird.
Inzwischen wird als Zweck von Gesetzesinitiativen teilweise ausdrücklich die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung genannt, was aber näher betrachtet nur als eine andere Formulierung für symbolische Maßnahmen anzusehen ist. In einem Rechtsstaat kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beeinflussung von Gefühlen und die Erzielung politischer Vorteile keine Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen können.
Die Stärkung des Sicherheitsgefühls muss daher auf andere Weise erfolgen, etwa durch Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen zur Stärkung des zwischenmenschlichen Zusammenhalts und der Anerkennung sozialer Normen. Dabei sollten die Bürger darauf hingewiesen werden, dass das tatsächliche Sicherheitsrisiko regelmäßig weit unter dem subjektiv empfundenen Risiko liegt. Es sollte auch klar gesagt werden, dass sich nicht jedes Risiko vermeiden lässt, gerade in einer freiheitlichen Demokratie.
Hinzu kommt, dass von politischen Funktionsträgern nicht selten verkannt wird, dass sich die Befürchtungen der Bürger gegen Alltags- und Massenkriminalität richten, wozu insbesondere Diebstahl und Gewaltkriminalität zu zählen ist. Zur Bekämpfung von Massenkriminalität aber scheinen Mittel wie die Rasterfahndung, die akustische Wohnraumüberwachung, der Einsatz verdeckter Ermittler oder der Zugriff auf Telekommunikations-Verkehrsdaten kaum geeignet. Terrorismus, organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität oder Netzkriminalität, auf deren Bekämpfung neue Eingriffsbefugnisse regelmäßig zielen, betreffen nur wenige Menschen unmittelbar. Maßnahmen auf diesen Gebieten gehen damit an den täglichen Sorgen der Bürger vorbei und sind infolgedessen zur Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls von vornherein ungeeignet - davon abgesehen, dass das subjektive Sicherheitsgefühl von der objektiven Sicherheitslage ohnehin unabhängig ist. Insofern kann es nicht gerechtfertigt sein, die Einführung neuer Eingriffsbefugnisse mit einer Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung zu begründen."
spl
Gut. Ich habe es gelesen.
Dieser Artikel zeigt mir nun, dass mein Sicherheitsbedürfnis in Bezug auf Terror im Grunde genommen eine Projektion meiner subjektiv-existentiellen Ängste ist.
Sagt mir darüber hinaus, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann. Als Lösung meines Problems wird mir geraten, zwischenmenschlichen Zusammenhalt zu pflegen und soziale Normen anzuerkennen.
Das ist, was ich verstanden habe.
Ja, absolute Sicherheit gibt es nicht. Das widerspricht schon dem Prinzip Leben. Mit wem sollen wir aber nun zwischenmenschlichen Zusammenhalt pflegen? Logischerweise mit denen, die uns jetzt mit Terror bedrohen. Aber sind es denn nicht genau diese Menschen, die unsere sozialen Normen nicht anerkennen? Wie bekommen wir die dazu?
Mitte der 70er Jahre war ich 20 Jahre alt. Da war es in Deutschland wirklich schlimm mit der Sicherheit bestellt. Die RAF war aktiv, 1977 wurde Schleyer entführt, die Selbstmorde in Stammheim - die Geschichten sind bekannt.
Die Atmosphäre für den kleinen Normalbürger war damals tatsächlich bedrohlich. Es gab Strassensperren und sehr nervöse Polizisten mit MP kontrollierten die Ausweise und fragten nach woher und wohin. Als Mitte 20jähriger ist man vielleicht allergisch gegen autoritäres Verhalten. Aber man gewöhnte sich an, bei Polizeikontrollen schön beide Hände deutlich sichtbar auf's Lenkrad zu legen. Aus Staatsnot wurden damals ganz sicher Bürgerrechte eingeschränkt. Ich weiss auch nicht, ob alle Fahndungsmethoden so völlig im legalen Bereich lagen. Ein Otto Schily sah das damals, glaube ich, manchmal anders.
Aus heutiger Sicht ist das damalige Verhalten der drei Teile unserer Gewaltenteilung logisch nachvollziehbar.
Und alle sind froh, dass diese Zeiten vorbei sind.
Aber ich glaube tatsächlich, wir driften auf eine neue Staatsnot zu. Nur, dass diesmal die Bedrohung von aussen kommt.
Die in Ihrem Beitrag zitierten Äusserungen kann ich nachvollziehen. Das ist schon so.
Aber das hier ist als Alternative deutlich zu wenig: erfolgen, etwa durch Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen zur Stärkung des zwischenmenschlichen Zusammenhalts und der Anerkennung sozialer Normen.
Das ist - mit Verlaub, bitte, Sie zitieren ja nur.. pflaumenweich und ohne Wert für einen Schutz.
GKr