Onlinesucht

Experten empfehlen Suchtwarnungen für Computerspiele

Onlinesucht muss als Krankheitsbild anerkannt werden
Von dpa / Anja Zimmermann

Kampfansage an die Onlinesucht von Jugendlichen und Erwachsenen: Hersteller von Internet-Computerspielen sollen nach Ansicht von Experten ihre Produkte künftig mit Suchtwarnungen versehen und die Spieldauer auf dem Bildschirm einblenden. Das haben Psychologen und Suchtexperten gestern in einer Anhörung im Bundestagskulturausschuss zum Thema "Onlinesucht" vorgeschlagen.

Auch gebe es noch viel zu wenig Behandlungseinrichtungen und Anlaufstellen für dieses "neuartige Krankheitsbild", kritisierte der CDU-Kulturpolitiker Wolfgang Börnsen, der unter anderem Wecker, Warnhinweise und sogenannte time-outs bei den Computern forderte. Die Weltgesundheitsorganisation WHO müsse das Phänomen als Suchtkrankheit anerkennen. "Und wieso wird ein Phänomen, das es seit zwölf Jahren gibt, erst jetzt auf politischer Ebene diskutiert?"

Die Onlinesucht bei Jugendlichen und Erwachsenen ist nach Meinung der Experten "ein in seiner Tragweite noch weit unterschätztes gesellschaftliches Problem, dem sich auch das Gesundheitswesen stellen muss". Laut Klaus Wölfling von der Universität Mainz betrifft das Problem schätzungsweise drei bis neun Prozent der 16 bis 30-jährigen Internetnutzer. Raphael Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen wies auch auf die unterschiedlichen Probleme der Süchtigen hin: "Die einen laden sich problematische Inhalte herunter, andere spielen zehn bis 15 Stunden täglich und fallen aus dem sozialen Zusammenhang bis hin zu Ernährungs- und Verhaltensstörungen, andere geben zu viel Geld aus".

Die Hälfte der Onlinesüchtigen sind Chat-süchtig

Nach Feststellungen des Vereins "Hilfe zur Selbsthilfe für Onlinesüchtige" in Buxtehude ist die Mehrzahl der Onlinesüchtigen Chat-süchtig, von denen wiederum 80 Prozent "keine alten, einsamen Männer, sondern Studenten sind", wie Gabriele Farke in der Anhörung betonte. Viele der Abhängigen entwickelten auch ein hohes Aggressionspotenzial. "Eltern haben Angst von ihren Kindern geschlagen zu werden, wenn sie ihnen den Computer wegnehmen wollen. Und wenn Kinder in manchen Fällen zehn bis zwölf Stunden täglich Online sind, dann kann in unserer Gesellschaft etwas nicht mehr stimmen."

Die Experten fordern unter anderem zentrale Anlaufstellen für Onlinesucht in allen Bundesländern sowie die Gründung von flächendeckenden Selbsthilfegruppen für Betroffene und deren Angehörige. Bei kaum einer Sucht sei die Dunkelziffer so hoch wie bei der Onlinesucht. Die Betroffenen vereinsamten oft. Folgen seien Jobverlust, Rückzug aus dem Familienleben und Abkapselung vom sozialen Umfeld, "das reale Leben verliert zunehmend an Bedeutung". Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses, Hans-Joachim Otto (FDP) betonte, die Politik müsse das Problem "sehr ernst nehmen, es gibt hier ganz offensichtlich eine immer größere Zahl von Menschen, die unsere Hilfe brauchen."