Urheberrecht

Inhalte-Anbieter fordern Abschaffung der Bagatellklausel

Neues Gutachten: Technischer Aufwand ist zu groß
Von Marie-Anne Winter

Über die Modernisierung des Urheberrechts wird schon lange gestritten. Insbesondere die so genannte Bagatellklausel hat sich bisher als Zankapfel entpuppt - so verlangen die SPD-Bundestagsfraktion und Verbraucherschützer eine solche, um unter anderem eine "Kriminalisierung der Schulhöfe" zu vermeiden. Konkret heißt das, dass nach dieser Klausel Verbraucher straffrei bleiben sollen, wenn die Zahl der von ihnen widerrechtlich heruntergeladenen Kopien von Musik und Filmen sehr klein ist und sie nur dem Privatgebrauch dienen.

Dennoch liegt auf der Hand, dass Urheberrechtsverletzungen durch Teilnehmer von Internet-Tauschbörsen ein Problem für die gesamte Medienindustrie bleiben. Der Referentenentwurf zum "Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums" des Bundesministeriums für Justiz vom 3. Januar 2006 sieht zwar einen Auskunftsanspruch der Rechteinhaber gegenüber Internet-Service-Providern vor. Dieser Anspruch soll es Verlagen oder der Musik- und Filmindustrie ermöglichen, von Internet-Service-Providern Auskunft über die Person des Urheberrechtsverletzers zu erhalten. Die Rechteinhaber selbst können lediglich die IP-Adresse, nicht jedoch die dahinterstehende Person ermitteln.

Zu viel Aufwand für die Anbieter?

Jedoch sieht der Referentenentwurf den Auskunftsanspruch nur bei Überschreitung einer Bagatellgrenze vor. Nur Urheberrechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß begründen den Anspruch. Dabei ist die Einführung einer solchen Bagatellklausel aus technischer Sicht nicht praktikabel - zu diesem Schluss kommen jedenfalls die beiden Fraunhofer [Link entfernt] -Wissenschaftler Dr. Martin Steinebach und Sascha Zmudzinski in einem jetzt veröffentlichten Gutachten [Link entfernt] , das der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Deutsche Landesgruppe der IFPI [Link entfernt] e.V. (International Federation of the Phonographic Industry), des internationalen Verbandes der Tonträgerhersteller, in Auftrag gegeben haben.

"Der technische Aufwand für den Nachweis, dass es sich nicht um Bagatellen handelt, wäre enorm hoch und in der Praxis für den einzelnen Rechteinhaber nicht durchführbar", bekräftigt Steinebach, der eine Fraunhofer-Forschungsgruppe leitet, die seit Jahren Wasserzeichentechnologien zur Markierung digitaler Dateien entwickelt und implementiert. Zu seinen Kunden gehören unter anderem libri.de, diadopo.com und soforthoeren.de.

"Die Bagatellklausel muss gestrichen werden", ist deshalb die Forderung von Dr. Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, einer der beiden Auftraggeber des Gutachtens. "Es geht uns nicht darum, Einzeltäter zu verfolgen - daran haben weder wir noch unsere Mitglieder ein Interesse. Aber es ist für den Rechteinhaber schlicht nicht erkennbar und damit auch nicht nachweisbar, ob ein Rechtsverletzer mehr als nur den einen, gerade zum Download angefragten Titel anbietet. Denn bei modernen Tauschbörsen wie eDonkey bzw. eMule ist der Blick auf die Festplatte des Anbieters in aller Regel nicht mehr möglich. Wenn der Entwurf des Bundesjustizministeriums diese technischen Gegebenheiten nicht berücksichtigen sollte, läuft der Auskunftsanspruch gegen die Internet-Service-Provider leer und die Verlage werden Urheberrechtsverletzungen weiterhin zivilrechtlich nicht verfolgen können."

Verbraucherrechte im rechtlosen Raum

Zu ganz anderen Ergebnissen kommt beispielsweise der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv. Der vzbv hat in seiner Studie "Verbraucherschutz bei digitalen Medien" festgestellt, dass Verbraucher bei digitalen Medien nahezu ohne Rechte seien.

"Nutzungsbedingungen, Kopierschutzsysteme und ein löchriges Urheberrecht machen die digitale Medienwelt für Konsumenten zu einem rechtlosen Raum", so Patrick von Braunmühl, stellvertretender Vorstand des vzbv. Zudem sei die Kundenorientierung von vielen Anbietern digitaler Medien mangelhaft. "Unsere Studie zeigt, dass bestehende Rechte der Verbraucher von Anbietern ignoriert werden."

Die Nutzer seien den Vorgaben der Anbieter hilflos ausgeliefert. Über das Recht auf eine Privatkopie entscheide nicht der Gesetzgeber, sondern faktisch die anbietenden Unternehmen. Der Entwurf zur Novellierung des Urheberrechts sei nicht geeignet, diese Missstände abzustellen. "Im Gegenteil - es drohen weitere Verschlechterungen für die Nutzer." vzbv und Verbraucherzentralen warnten vor einer "Klagewut der Anbieter und hohen Anwaltsrechnungen für die Eltern minderjähriger Internetnutzer". "Die Kriminalisierung harmloser Nutzer unter dem Vorwand der Pirateriebekämpfung muss endlich aufhören", so von Braunmühl.