Trendwende

Trojaner auf dem Vormarsch

Zahl der Viren und Würmer geht zurück
Von Christian Horn

Mancher Computer-Nutzer mag sich vielleicht wundern, was denn aus den globalen Viren-Epidemien, die in den vergangenen Jahren für weltweite mediale Aufmerksamkeit sorgten, geworden ist. Wo sind die Nachrichten von all den Bagles und Mydooms, Netskys und Sassers, die innerhalb von nur wenigen Stunden abertausende von Rechnern infizieren konnten? Die Antwort ist ebenso schlicht wie überraschend: Es gab im Jahr 2006 noch gar keinen nennenswerten Viren-Ausbruch.

Eine von den Virenjägern von McAfee anlässlich der 200 000sten Malware-Signatur veröffentlichte Statistik dokumentiert, dass die Zahl der zumindest mittelschweren Virenausbrüche im Jahr 2004 noch bei 48 lag, im Jahr 2005 waren es nur noch 12 und im laufenden Jahr wurden noch keine entsprechenden Vorfälle verzeichnet. Die schon vor Jahren befürchtete Trendwende von spektakulären Aktionen der Teenie-Virenschreiber zu ausgefeilteren Angriffen professioneller Cybergangs scheint Realität geworden zu sein. An die Stelle der großen Virenausbrüche, die auch die Strafverfolgungsbehörden auf den Plan riefen, sind kleinere, dafür aber gezieltere Angriffe getreten. "Bei großen Vorfällen reagiert die Polizei und sucht die Übeltäter. Also produzieren die bösen Jungs keine großen Vorfälle mehr", kommentiert Jimmy Kuo von McAfees Avert Labs.

Verhältnis von Trojanern zu Viren und Würmern jetzt bei 4 zu 1

Auch die Sicherheitsdienstleister von Sophos beobachteten den Rückgang der spektakulären Großangriffe. "Die meisten Übeltäter haben sich auf kleinere, strategisch gezielte Attacken verlegt", erklärt Graham Cluey von Sophos. Im Sicherheits-Bericht für das erste Halbjahr 2006 beschreibt Sophos einen deutlichen Rückgang von Viren und Würmern. Dafür allerdings legten die Trojaner, die die Internet-Kriminellen mit allerlei zusätzlicher Malware wie Keyloggern oder Backdoors bepacken, kräftig zu. Nur noch eine von 91 E-Mails hat jetzt einen Virus im Anhang - vor einem Jahr fungierte noch eine von 35 Mails als Viren-Transporter. 82 Prozent der in ersten Halbjahr 2006 neu aufgetauchten Bedrohungen sind Trojaner. Damit steht das zahlenmäßig das Verhältnis von Trojanern zu Viren und Würmern jetzt bei 4 zu 1, im ersten Halbjahr 2005 lag die Verteilung noch bei 2 zu 1.

Sophos berichtet auch von einer besonders gemeinen, neuen Trojaner-Gattung, der so genannten "Ransomware". Deren Vertreter nehmen die Dateien des Opfer-Rechners als Geiseln und fordern unter Androhung der Löschung der Dateien Lösegeld. Mehr hierzu lesen Sie in einem gesonderten Beitrag.