sexy Internet

Probleme mit dem virtuellen Seitensprung

Die Nutzung von Erotik-Angeboten im Internet nimmt zu
Von dpa / Marie-Anne Winter

Sex ist in der virtuellen Welt allgegenwärtig: Jeder Internetsurfer stößt früher oder später auf Sexseiten, in Hunderten von Erotik-Chats werden Bilder getauscht und Bekanntschaften geschlossen, und Handynutzer haben die Wahl zwischen unzähligen Flirtlines. Zwischen Partnern kann das Probleme geben.

Die Neuen Medien machen es so einfach wie nie zuvor, überall und jederzeit an Erotik-Angebote zu kommen. Der Reiz liegt in der Unverbindlichkeit: Wer sich im Internet Sexfotos anschaut oder per SMS heißes Liebesgeflüster verschickt, bleibt dabei meist anonym. Das lockt vor allem Männer. "Sie nutzen diese Inhalte noch deutlich häufiger als Frauen", beobachtet der Sexualwissenschaftler Professor Volkmar Sigusch von der Universität Frankfurt.

Unentdeckt bleiben solche Spielchen nicht immer. Wer seinen Partner beim Herunterladen von Sexbildern erwischt oder erotische SMS-Botschaften auf seinem Handy entdeckt, ist meist schockiert und verunsichert. Besonders Frauen fühlen sich davon oft angewidert und zweifeln an ihrer Beziehung zum Partner. Doch dazu besteht nach Ansicht der Psychologin Gerhild von Müller aus Köln in den meisten Fällen kein Grund.

"Andere Frauen anzuschauen, sei es auf Bildern oder auf der Straße, gehört für viele Männer einfach dazu", sagt die Expertin. "Wenn ein Mann Sex-Fotos oder entsprechende Videos anguckt, ist das absolut normal." Selbstzweifel und Unsicherheit in einer solchen Situation seien aber typisch für Frauen.

Nutzung virtueller Sex-Angebote nimmt zu

Volkmar Sigusch beobachtet insgesamt eine Zunahme von Internet-Sex. "Die Inhalte sind sehr leicht verfügbar und zahllose Fetische stehen zur Auswahl", sagt der Sexualwissenschaftler. Das die Nutzung der neuen Erotik-Angebote nichts Ungewöhnliches ist, zeigt auch die Entwicklung des Marktes: Rund 39 Millionen Euro werden laut einer Studie des Institutes EITO (European Information Technology Observatory) im laufenden Jahr in Deutschland mit Erotik-Angeboten im Internet verdient. 2006 werden es voraussichtlich schon 63 Millionen Euro sein. Mit Sexinhalten, die per Handy übertragen werden, erwirtschaften die Anbieter in diesem Jahr rund neun Millionen Euro.

Doch als normal gilt der Konsum solcher Angebote trotzdem noch lange nicht. Angesichts von virtuellen Sex-Ausflügen des Partners empfänden manche Frauen Abscheu aus einem Gefühl der Eifersucht und Ablehnung heraus, erläutert Gerhild von Müller. "Was sie als abstoßend empfinden, sind oft gar nicht die Bilder selbst, sondern die Vorstellung, der Partner könnte mit einer anderen Frau Sex haben."

Dazu kommt die Angst, dass er vielleicht auch im wirklichen Leben einen Seitensprung riskieren würde. Laut Gerhild von Müller sind solche Befürchtungen nur selten angebracht: "Zwischen dem Anschauen von Sex-Bildern und Fremdgehen liegen Welten."

Wenn jemand virtuelle Erotik-Angebote nutzt, bedeute das nicht, dass er leichter untreu wird, meint auch Sexualwissenschaftler Sigusch. "Die Hemmschwelle zum Fremdgehen sinkt dadurch nicht, weil die Möglichkeit auf Dauer da ist", sagt er. Allein diese Gewissheit reiche vielen Menschen. Nach Ansicht des Sexualwissenschaftlers könnten virtuelle Liebesabenteuer die Partnerschaft sogar schützen: "Sexuelle Spannungen, die sich auf andere Personen als die feste Partnerin beziehen, werden so abgeführt."

Größtenteils harmlos

Die Suche nach Sex im Internet trotz fester Beziehung kann aber auch ein Hinweis auf sexuelle Unzufriedenheit sein, meint der Psychologe Stefan Oschmann vom Würzburger Institut für Partner- und Sexualtherapie. "Wer seinen Partner dabei erwischt, sollte ihn fragen, ob ihm bei der Sexualität in der Beziehung etwas fehlt", rät der Experte. Es gebe aber auch andere Gründe: "Manche lockt beim Internet-Sex einfach der Reiz des Verbotenen, andere stehen im Alltag unter Stress und Druck, den sie auf diesem Weg abzubauen versuchen."

Wenn ein Mann besonders häufig Sex-Angebote wahrnimmt, könne das auch auf ein ernsthaftes Problem hinweisen. "Es gibt Männer, die sexuell süchtig sind", sagt der Therapeut. "Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass ein Mann oft wahllos Erotik-Bilder herunterlädt, ständig Sex mit seiner Partnerin haben will oder neben einer festen Beziehung häufig Prostituierte besucht."

Gerhild von Müller hält den Konsum von Internet-Sex in den meisten Fällen für harmlos. "Kritisch wird es aber, wenn ein Partner darunter leidet", warnt sie. Wenn eine Frau sich belogen, enttäuscht und hintergangen fühlt, nur weil ihr Mann sich Erotik-Bilder ansieht, deute das auf eine tiefe Störung der Partnerschaft hin.

Über die eigenen Gefühle zu sprechen, sei bei solchen Konflikten in jedem Fall hilfreich. "Ein Paar kann sich zum Beispiel gegenseitig erklären, was beide bei dem Anblick von Sex-Bildern empfinden", empfiehlt sie. "Wenn das gelingt, rückt das Paar näher zusammen."