CeBIT

Zukunftsvisionen der Vergangenheit

Was prophezeiten die Entwickler auf der CeBIT 1995?
Von dpa / Julia Scholz

Vor dem Eingang zum CeBIT [Link entfernt] -Gelände in Hannover bildete sich vor zehn Jahren eine lange Schlange. Über 1500 Besucher der weltgrößten Computerschau wollten vom Software-Guru Bill Gates erfahren, wie die Informationstechnologie in einem Jahrzehnt aussehen wird. Der damals 39 Jahre alte Microsoft-Chef griff tief in die Marketing-Trickkiste: Vor den Messebesuchern in Hannover legte er noch einmal die inzwischen legendär gewordene Videopräsentation "Information at your fingertips 2005" auf, die er bereits vier Monate zuvor in Las Vegas dem Fachpublikum der US-Computershow "Comdex 94" gezeigt hatte.

Die Zukunftsvisionen von Bill Gates

In dem aufwändig produzierten Film zeigte Gates damals einen kleinen Krimi um einen Kunstschmuggel und seine rasante Aufklärung mit den wunderbaren Hilfsmitteln künftiger Kommunikation. Viele der Visionen sind heute tatsächlich Wirklichkeit geworden: der Mini-PC in der Jackentasche, das individuell programmierbare Fernsehen, der einfache Zugriff auf einen unendlichen Wissensschatz in den Datennetzen. Manche Vorstellungen des Visionärs Bill Gates von 1995 erwiesen sich aber als Flop. Der Microsoft-Gründer glaubte auf der CeBIT 1995 beispielsweise noch, mit einem eigenen Microsoft Network dem Internet Paroli bieten zu können. Erst einige Monate später erkannte Gates seinen fatalen Irrtum und befahl seinen Programmierern die Wende. Nur durch die umstrittene Bündelung des Webbrowsers Internet Explorer mit dem Erfolgsprodukt Windows konnte Microsoft aufholen und den Vorsprung des Konkurrenten Netscape wieder wettmachen.

Der Siegeszug des Internets

Im boomenden Online-Markt hatten auf der CeBIT 1995 noch viele Anbieter auf eigene Standards gesetzt, die mit dem Internet konkurrierten. Viele dieser proprietären Dienste scheiterten jedoch. Das Verlagshaus Burda versenkte Millionenbeträge mit "Europe Online" zusammen mit AT&T Interchange, Apple Computer versuchte vergeblich, "eWorld" aufzubauen, und IBM konnte mit seinem OS/2-Onlinedienst ebenfalls keine Alternative zum Internet etablieren. Und auch die Deutsche Telekom tat sich bei der Wandlung des alten Btx-Systems über die Zwischenstufe "Datex J" hin zu T-Online noch sehr schwer. Mehr Glück hatte Bertelsmann: Dank der Spürnase von Thomas Middelhoff konnte der damalige Bertelsmann-Chef Mark Wössner für 50 Millionen Dollar eine Fünf-Prozent-Beteiligung an America Online (AOL) kaufen, die später 2,2 Milliarden Euro in die Kassen von Bertelsmann spülte.

CeBIT lief nur in Hannover

Zu den Gewinnern der CeBIT 1995 gehörte auch die Deutsche Messe AG. Mit einem Rekord von 750 000 Gästen platzte sie buchstäblich aus allen Nähten. Doch etliche Aussteller beschwerten sich über die überfüllten Hallen. Daher versuchte die Messegesellschaft von 1996 an, die Privatkunden auf eine eigene "CeBIT Home" im Herbst zu locken, um den Profibesuchern auf der eigentlichen CeBIT im Frühjahr wieder Luft zum Atmen zu verschaffen. Doch schon im Mai 2000 verabschiedete sich die Messegesellschaft von diesem Konzept, da zu wenige Besucher zur "kleinen CeBIT-Schwester" nach Leipzig kommen wollten.