im Osten was Neues

EU-Beitrittsländer: Mobilfunk wichtiger als Festnetz

In einigen Ländern Osteuropas telefonieren 80 Prozent der Bevölkerung mobil
Von dpa / Marie-Anne Winter

Die Telekom-Märkte der EU-Beitrittsländer befinden sich auf der Aufholjagd. Während in Westeuropa die jährlichen Zuwachsraten in der Telekommunikation geringer werden, boomt die Branche in zahlreichen Ländern Mittel- und Osteuropas. Angesichts der maroden Infrastruktur im Festnetzbereich und unzureichenden Abdeckung der Bevölkerung mit Telefonanschlüssen schiebt vor allem der Mobilfunk das Wachstum an. Der Bereich garantiert mehr und mehr den flächendeckenden Zugang der Bevölkerung zur Telekommunikation.

Nach Zahlen des European Information Technology Observatory (EITO) erwirtschafteten die EU-Beitrittsländer (ohne Malta und Zypern) 2003 in der Telekommunikation einen Umsatz von 22,9 Milliarden Euro. Das waren im Schnitt fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Wachstumsrate lag mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland, aber das Marktvolumen erreichte erst ein Drittel des deutschen Geschäfts.

Die Liberalisierung in der Festnetztelefonie sei eine der größten Veränderungen, die derzeit auf den osteuropäischen Telekom-Märkten stattfinde, schreibt EITO. Vor 2003 hatten Länder wie Tschechien, Polen, Estland und Ungarn den Markt vollständig geöffnet oder zumindest bedeutenden Wettbewerb zugelassen. Auch wenn der Weg zur Durchsetzung von mehr Konkurrenz in einigen Ländern noch zu wünschen übrig lasse, laufe der "Trend klar in Richtung freier Wettbewerb in der gesamten Region".

Mobilfunk hat Festnetz überholt

Polen, Tschechien und Ungarn sind mit großem Abstand die bedeutendsten Märkte unter den zehn Beitrittsländern. Auf sie entfallen rund 80 Prozent der Telekommunikations-Umsätze. In diesen Ländern soll nach einer Studie der Detecon International GmbH das Pro-Kopf-Einkommen am Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren auf über 10 000 Euro ansteigen, was sich in einer höheren Nachfrage nach Telekommunikationsdiensten niederschlagen werde.

Der Mobilfunk hat die Festnetztelefonie inzwischen klar überflügelt. In Tschechien, Slowenien und Ungarn telefoniert im Schnitt bereits mehr als 80 Prozent der Bevölkerung mobil. "Neukunden wählen oft einen Prepaid-Vertrag mit der Absicht, ihre Telefonbudget besser kontrollieren zu können", schreiben die Detecon-Unternehmensberater in einem Bericht über Mobilfunktrends in Osteuropa.

Wegen der Marktpotenziale haben sich auf diesen Märkten die großen Spieler der Branche längst etabliert. Die Deutsche Telekom gibt dabei den Ton an. Das Unternehmen ist unter anderem in Ungarn (Mátav), Tschechien (T-Mobile) und Polen (PTC) aktiv. Die Beteiligung an PTC möchte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke auf eine Mehrheit aufstocken. Neben dem rosa Riesen haben auch die französische Orange (Polen, Slowakische Republik) und die britische Vodafone (Polen, Ungarn) ein festes Standbein auf den osteuropäischen Märkten.

Mit mehr Kunden weniger Gewinn

Das derzeit wachsende Mobilfunkgeschäft hat allerdings auch Schattenseiten. Der rasante Anstieg der Kundenzahlen geht einher mit einem Absinken der Margen. Telekom-Berater empfehlen den Betreibern, Prepaid-Kunden zu Vertragskunden zu machen und mobile Datendienste zu fördern. Gleichzeitig könnten mit der weiteren Liberalisierung im Festnetz und fallenden Preise Mobilfunkkunden angelockt werden.

Zeit nehmen werden sich die Länder nach Ansicht von Experten bei der Einführung der neuen Mobilfunkgeneration UMTS. Die Übergangszeit werde mit der angespeckten GSM-Version (GPRS) vermutlich länger dauern. "Der Mangel an Mobiltelefonen und die nicht ausreichend verfügbaren Datenanwendungen erschweren den Start", schreiben die Detecon-Berater in ihrem Bericht.