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Editorial: Steuersorgen wegen eines Satzes

Gibt es einen Teil der UMTS-Milliarden wirklich zurück?
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Die Regulierungsbehörde (und nicht nur sie) soll einen milliardenschweren Fehler begangen haben. Nach der spektakulären Versteigerung der UMTS-Lizenzen hätte sie nach Ansicht einiger Steuerrechtsexperten Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis stellen müssen. Dieses sei aber nicht erfolgt. Die rechtliche Folge: Die Regulierungsbehörde müsse nochmal neue Rechnungen stellen, die die Mehrwertsteuer beinhalteten. Die Summe aus Lizenzkosten und Mehrwertsteuer betrüge dabei dieselbe Summe, wie bereits bezahlt. Den Mehrwertsteueranteil könnten sich die Unternehmen jedoch dann als Vorsteuer vom Finanzamt zurückzahlen lassen. Die drohende Sonderbelastung für Eichels Haushalt: ca. sieben Milliarden Euro. mobilcom will als erstes klagen.

Fraglich bleibt, ob die Rechnung aufgehen wird. Es gibt nämlich einige Fallstricke:

  • Zwar besagt die sechste Umsatzsteuerrichtlinie der EU, dass der Staat für Leistungen auf dem Gebiet des Fernmeldewesens Umsatzsteuer berechnen muss. Doch handelt es sich bei der Lizenzzuweisung ja noch nicht um eine fertige Tk-Anwendung. Man könnte den Einzelvorgang "Lizenzzuweisung" durchaus anders einordnen.
  • Staatliche Hoheitsakte sind grundsätzlich nicht mehrwertsteuerpflichtig. Hier halten die Rechtsgutachten entgegen, dass der Staat im Rahmen der Versteigerung gewerblich gehandelt hätte. "Gewerbliches Handeln" ergibt sich jedoch nicht schon automatisch aus der Maximierung des Gewinns, sondern erst aus der wiederholten Ausführung einer Tätigkeit. Wer seinen Keller entrümpelt und die alten Sachen bei ebay versteigert, handelt trotz einer großen Zahl an verkauften Produkten nicht gewerblich. Dieses gilt grundsätzlich auch beim Verkauf von Sachen mit großem Wert, zum Beispiel beim Verkauf von privat genutzten Gebrauchtwagen.

    Erst Händler, die regelmäßig Neuware kaufen und bei Ebay anbieten, werden als gewerblich eingestuft, und sind dann auch verpflichtet, Umsatzsteuer auszuweisen und abzuführen. Also ist es durchaus möglich, dass die Regulierungsbehörde beim einmaligen Lizenzverkauf noch nicht gewerblich gehandelt hat.

  • Selbst, wenn man eine Mehrwertsteuerpflicht bejaht, könnte sich die Regulierungsbehörde möglicherweise einfach aus der Affäre ziehen. Sie würde nämlich die Rechnungen neu ausstellen, diesmal zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Das wären ca. acht Milliarden Euro, die die Unternehmen dann zusätzlich zahlen müssten, sich aber als Vorsteuer vom Finanzamt zurück erstatten lassen könnten. In der Summe wäre dieses eine Nullsumme für alle Beteiligten, von kurzfristigen Zinsvorteilen bzw. -nachteilen und Überweisungskosten mal abgesehen.

    Bei einer Privatauktion bei Ebay geht dieser Mehrwertsteueraufschlag durch den Händler nicht, denn bei Verkäufen an Privatkunden schreibt die Preisauszeichnungsverordnung vor, dass Bruttobeträge, also inklusive Mehrwertsteuer, ausgewiesen werden müssen. Diese Regel gilt jedoch nicht gegenüber Gewerbekunden. So ist es bei Versteigerungen von gewerblichen Gütern durchaus üblich, dass der Ersteigernde zusätzlich zum Nettogebot noch die Mehrwertsteuer bezahlen muss, wenn diese anfällt. Allerdings wird darauf auch zumeist explizit hingewiesen.

Letztendlich geht es um einen Satz. Hätte die Regulierungsbehörde in den Ausschreibungsbedingungen für die UMTS-Lizenzen zusätzlich folgendes geschrieben:
Alle Gebote gelten gegebenenfalls zusätzlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer, falls diese anfällt.
dann wäre die aktuelle Diskussion unverzüglich beendet. So haben die Unternehmen aber Hoffnung, mit beschränktem Einsatz (35 Millionen Euro) hohen Gewinn (über 1000 Millionen Euro pro UMTS-Lizenznehmer) zu erhalten. Selbst dann, wenn die Chancen nur 1:5 oder 1:10 betragen: Der Einsatz ist im Vergleich zum möglichen Gewinn klein. Der Prozess lohnt sich also.

Der Bundesregierung droht indes ein weiteres medienwirksames Versagen. Dabei sind von dem Problem auch die anderen EU-Länder betroffen, in denen die Lizenzen versteigert wurden.