Guck-Sprich

Guck mal, wer da spricht - Videotelefonie über das Internet

Trotz technischer Fortschritte noch geringe Nutzungsrate
Von dpa /

Was UMTS in Zukunft mit dem Handy ermöglichen soll, können ISDN- und DSL-Kunden schon heute am Computer erleben: Videotelefonie über das Internet. Anwender brauchen nicht einmal tief in die Tasche zu greifen, um ihren PC zum Bildtelefon aufzurüsten: Die nötigen Programme sind bereits ab 50 Euro erhältlich. Den Griff zum Telefonhörer kann die neue Technik zwar nicht ersetzen - ein gewöhnliches Telefonat ist gegenüber einem Videogespräch noch wesentlich einfacher und schneller zu bewerkstelligen. Wer seinen Gesprächspartner aber nicht nur hören, sondern auch sehen will, kann mit den heutigen Möglichkeiten schon gute Ergebnisse erzielen.

"Ein Bild sagt eben mehr als tausend Worte", beschreibt Urban Bastert, Sprecher der Firma AVM in Berlin, die Vorteile der Videotelefonie über das Internet. Wer zum Beispiel aus beruflichen Gründen eine Fernbeziehung führt, könne mit der AVM-Software "Alice" wenigstens am Telefon seinen Partner zu Gesicht bekommen. Auf breiter Basis habe sich diese Methode allerdings noch nicht durchsetzen können, obwohl die Technik mittlerweile weitgehend ausgereift sei. Für viele Menschen sei es noch zu ungewohnt, sich für ein Telefonat an den Computer zu setzen. Zudem wollten manche Nutzer nicht, dass ihr Gegenüber sie beim Telefonieren sieht.

Nur geringe zusätzliche Systemanforderungen

Bereits mit einem handelsüblichen Komplett-PC lasse sich Videotelefonie über das Internet nutzen, sagt Bastert. Dieser muss über eine Vollduplex-fähige Soundkarte verfügen. Zudem benötigen Anwender eine Webcam und ein Mikrofon, welches bei einigen Modellen bereits in die Kamera integriert ist. Voraussetzung für die reibungslose Video-Übertragung ist eine schnelle Internetanbindung: Mindestens ein ISDN-Anschluss ist nötig, damit sich die Bilder ruckelfrei bewegen. ISDN-Nutzer können dabei mit Hilfe der Kanalbündelung dieselbe Bandbreite von 128 Kilobit pro Sekunde wie DSL-Kunden erreichen, haben jedoch höhere Kosten.

Neben speziellen Programmen für die Videotelefonie lassen sich auch Messenger- und Video-Chat-Tools benutzen. Grundsätzlich gibt es bei dem Verbindungsaufbau zwei Möglichkeiten: Entweder wird diese über einen Server hergestellt, oder die Programme verwenden eine Direktverbindung von einem Computer zum anderen. Dazu müsse der Anrufer die "Telefonnummer" seines Gesprächspartners im Internet anwählen, die so genannte IP-Adresse, erklärt Sven Lehneke, Produktmanager von AVM.

Diese ändere sich bei Privatpersonen aber ständig, da sie von ihrem Provider bei jedem Verbindungsaufbau eine andere Adresse zugeteilt bekommen. Der Gesprächspartner muss also vorher seine IP-Adresse zum Beispiel per E-Mail an den Anrufer schicken, damit dieser ihn anrufen kann. Wem das zu umständlich ist, könne diesen Schritt mit Hilfe eines Internet-Dienstes wie "dyndns.org" umgehen, so Lehneke. Dieser speichere den Namen des Nutzers und verbinde ihn stets mit der aktuellen IP-Adresse, so dass Freunde und Bekannte sich nur noch den gespeicherten Namen des Anwenders merken müssten.

Besonders für Flatrate-Nutzer interessant

"Besonders für Nutzer einer Flatrate lohnt sich das", so Kai Petzke, Geschäftsführer des Online-Verbrauchermagazins teltarif.de. Vieltelefonierer könnten so ihre Telefonkosten deutlich senken. Bei der Bildqualität werde aber nicht die Qualität erreicht, die Anwender von anderen Medien gewohnt sind. Auch beim Ton können Verzögerungen bei der Übertragung ein Gespräch erheblich stören: "Bei einer schlechten Verbindung ist das wie bei einem Satelliten-Telefon: Der andere fällt einem ständig ins Wort, weil er noch nicht hört, dass man bereits spricht", sagt Petzke. Optimale Qualität erreiche man erst mit DSL-Zugängen, die über eine höhere Bandbreite beim Hochladen und schnelle Ansprechzeiten mittels "FastPath" verfügen.

Nutzer einer Firewall könnten ebenfalls Schwierigkeiten beim Video-Telefonieren bekommen, sagt Stefan Noll vom Fraunhofer Institut für grafische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt. Für die Datenübertragung müssen nämlich bestimmte Ports am PC geöffnet werden, über die Hacker in den Rechner eindringen können. Das IGD arbeitet an einem Programm namens "Communitrust", das eine SSL-verschlüsselte Verbindung verwendet und die Daten zusätzlich codiert. Ansonsten lasse sich ein Video-Telefonat leicht abhören und sei damit etwa für Firmengespräche schlecht geeignet, so Noll.

Vorsichtsmaßnahmen in Familien

Bei Video-Chat-Software müssten Familien sich zudem vor Exhibitionisten in Acht nehmen, rät Petzke von teltarif.de. Diese Programme könnten unachtsame Nutzer in Chaträume führen, in denen Nutzer auf der Suche nach Cybersex freizügig vor der Kamera posieren. Eltern, die Video-Telefonate mit ihren minderjährigen Kindern führen wollen, sollten daher bei der Wahl des Programms darauf achten, dass sie sich vor unerwünschten Sex-Anrufen schützen können.