Sein und Design

Beim Handydesign zählt nicht nur Technik

Ein Mobiltelefon muss alle Sinne ansprechenden
Von dpa / Marie-Anne Winter

Als der heute 73-Jährige Rudy Krolopp den Auftrag bekam, das erste Mobiltelefon zu entwerfen, war an Schönheit nicht zu denken. Das DynaTAC 8000X von Motorola - 1983 auf den Markt gebracht - , war ein grauer und 800 Gramm schwerer Klotz, aber eben ohne Schnur. "Da fehlten nur die Räder", sagt der mittlerweile pensionierte ehemalige Chef-Designer spöttisch. Der Preis von 3 995 US-Dollar machte das "Handy" auch nicht gerade für die Masse der Verbraucher erschwinglich.

Mittlerweile sind 20 Jahre vergangen und weltweit rund 1,2 Milliarden Mobiltelefone im Umlauf. Die Zeiten, in denen sich ein Handy verkauft, nur weil es ein Handy ist, sind vorbei. Heute spielt das Design die tragende Rolle. Seine Bedeutung habe sich in den vergangenen fünf Jahren verändert, so Ulrich Skrypalle, Director of Product Design und President bei designafairs in München. "Früher hieß es "form follows function". Heute ist es umgekehrt", so Skrypalle, der für die Gestaltung der Mobiltelefone von Siemens verantwortlich ist.

Das Handy ist ein schnelllebiges Konsumgut, und der Zeitraum, in dem es als schick gilt, ist vergleichsweise kurz. Das gilt auch für die Frequenz, mit der die Hersteller neue Modelle in den Handel bringen. Da bleibt nicht viel Zeit für die Entwicklung: "Die Entwicklung eines Handys dauert etwa neun bis zwölf Monate", sagt Skrypalle. Solche Lifestyle-Produkte erfolgreich verkaufen zu können, setzt voraus, dass man herausfindet, was in der jeweiligen Zielgruppe gut ankommen könnte. "Dazu gehen wir zum Beispiel in angesagte Discos in London oder Schanghai und fragen die DJs, was sie von unseren Ideen halten", erläutert Skrypalle. Meinungsführer wie sie seien es schließlich, die die Masse zum Kaufen anregen.

Dabei beschränkt sich der Entwurf eines Handys keinesfalls auf die Schöpfung einer flott aussehenden Oberfläche: "Wir wollen, dass der Anwender mit dem Handy nicht nur das Hören, sondern weitere Sinneserfahrungen verbindet", erklärt Moni Wolf, Leiterin des Motorola-Design-Centers in Mailand.

"Human Touch" zu kreieren, das sei den Designern bei Nokia wichtig, so Kristina Rücken, Pressesprecherin des finnischen Herstellers mit Deutschlandsitz in Düsseldorf. Im Mittelpunkt stehe eine Produktgestaltung, die Ergonomie und Ästhetik kombiniert. "Das Nokia-Design ist nicht nur äußerlich sichtbar, sondern spiegelt sich vor allem im Inneren der Produkte wider." Dazu gehöre eine leicht bedienbare Benutzeroberfläche mit selbsterklärender Menüführung, gut lesbaren Schriftzeichen sowie ansprechenden Grafikelementen.

Um den nächsten Trend nicht zu verschlafen, reicht ein Besuch in Szenelokalen nicht aus. Die Hersteller von Mobiltelefonen beschäftigen eine Heerschar von jungen Kreativen: "Bei uns arbeiten 17 Designer aus acht verschiedenen Ländern. Internationalität ist sehr wichtig", sagt Motorola-Mitarbeiterin Wolf, die selbst unter anderem in den USA studiert und gearbeitet hat. Zu ihren Kollegen gehören Spezialisten, die sich nur mit der Ergonomie des Geräts befassen. Andere kümmern sich darum, dass die Software des Telefons möglichst benutzerfreundlich ist. Die Grenzen zwischen dem Erscheinungsbild eines Handys und der reinen Technik verschwimmen.

Nokia wiederum legt Wert auf eine Gruppe, in der sich junge talentierte und ältere, aber erfahrene Designer ergänzen. "Die Designteams arbeiten global an unterschiedlichen Projekten", erklärt Kristina Rücken. Geleitet werden die Gruppen von Design-Chef Frank Nuovo in den USA. Von der Produktplanung über den gesamten Entwicklungsprozess bis hin zum Verkauf forme das Design das endgültige Produkt.

Es sei eben nicht genug, dass ein Hersteller mit den technischen Fähigkeiten seines Handys glänzen kann; es sollten auch Emotionen erzeugt werden: "Der Nutzer muss auch das Gefühl haben, dass das Handy hochwertig ist", sagt Moni Wolf von Motorola. Die Designerin zieht den Vergleich zum Auto: Das teuerste Modell verliere in der Gunst des Verbrauchers, wenn beim Zuschlagen der schweren Tür nur ein dünnes Klappen zu vernehmen ist.

Verbindungen zur Automobilindustrie gibt es auch bei designaffairs: Die Agentur, mit Niederlassungen in Schanghai, Seattle sowie in Mountain View im US-Bundesstaat Kalifornien, arbeitet unter anderem auch für Opel und Saab. "Da lassen sich Synergieeffekte nutzen", so Skrypalle. Und weil auch das Cover-Material so wichtig ist, tausche man sich regelmäßig mit Modedesignern aus. Schließlich werden Siemens-Handys nicht nur für das Auge, sondern auch für die Hand entworfen.

Aus den Gesprächen mit den Designern aus anderen Bereichen ziehen die Handy-Experten bei designafairs auch neue Ideen sowie Hinweise auf kommende Trends: So werden im kommenden Jahr zum Beispiel Metallic-Töne noch mehr Verbreitung finden - allerdings in wärmeren Farbvarianten. Aber auch "Retro" sieht Skrypalle bei den Handys im Kommen - zurück zum DynaTAC 8000X wird das jedoch wohl kaum führen.