gläserne Surfer

Datenschutz kontra Verbrechensbekämpfung

Anonymes Surfen erschwert die Fahndung nach kriminellen Internetnutzern
Von Marie-Anne Winter

Datenschutz im Internet ist ein zu Recht viel diskutiertes Thema. Insbesondere seit dem 11. September 2001 wird gern nach dem Grundsatz "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" gehandelt. So kollidierten das Bürgerrecht auf Datenschutz und die Staatspflicht zur Verbrechensbekämpfung beim Anonymisierungsdienst Jap (Java Anon Proxy), der dadurch ein Leck bekam. Wie der Spiegel berichtet, kassierten Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) und des sächsischen Landeskriminalamtes einen Datensatz, mit dem die jahrelange Arbeit der Jap-Entwickler infrage gestellt wird. Denn diese bestand darin, es Internetnutzern zu ermöglichen, sich im Internet zu bewegen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das Projekt der TU Dresden wurde mit Steuergeldern finanziert, um das Vertrauen der Bundesbürger in das Internet zu stärken. Rund 20 000 Surfer vertrauten täglich auf den Schutz der Jap-Software.

Das Ziel von Jap ist es, dass niemand Profile von ahnungslosen Internetnutzern erstellen kann. Dazu leitet das Anonymisierungssystem die Nutzerdaten über so genannte Mixe, hintereinander geschaltete Rechner, die den Datenwust aller Nutzer miteinander so vermischen, dass niemand rekonstruieren kann, wer auf welche Seiten zugegriffen hat. Auch die Jap-Entwickler selbst nicht. Für Datenschützer und Internetnutzer eine geniale Lösung - aber für die Ermittler in der Verbrechensbekämpfung nicht.

Diese sehen sich bei ihrer Arbeit behindert, etwa im Aufspüren von Kinderpornonutzern und - verbreiten. Weil Projekte wie Jap das Enttarnen von Straftätern erschweren, erwirkten die Kriminalisten einen Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Main), mit dem die Jap-Entwickler verpflichtet wurden, die Software so zu verändern, dass Zugriffe auf bestimmte IP-Adressen gespeichert werden können. Allerdings wurde dieser Beschluss schon eine Woche später wieder durch die nächsthöhere Instanz, das Landgericht Frankfurt (Main) ausgesetzt.

In Dresden kam dieser Beschluss erst mit mehrwöchiger Verspätung an. Dort wurde die fragliche IP-Adresse die ganze Zeit beobachtet. Das BKA erwirkte daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss für die Geschäfts- und Nebenräume sämtlicher am Jap-Projekt beteiligter Personen. Dadurch konnte der Datensatz beschlagnahmt werden, der in der "Überwachungszeit" enstanden war. Ob diese Beschlagnahme rechtmäßig war, ist zweifelhaft. Zweifelhaft ist aber auch, ob die Ermittler mit den Daten etwas anfangen können. Denn nur ein einziger Jap-Nutzer griff in der gesamten Zeit auf die fragliche IP-Adresse zu. Ob die Strafverfolger dessen Daten überhaupt verwerten dürfen, ist nicht geklärt. Der Aufzeichnungsbeschluss des Amtsgerichts wurde mittlerweile gänzlich aufgehoben.

Die Jap-Leute sind trotzdem auf Nummer sicher gegangen und haben inzwischen einen Mixer in New York aufgestellt. Dort ist er zumindest vor deutschen Gerichtsbeschlüssen sicher. Nicht sicher ist, ob zukünftig möglich sein wird, wirklich anonym im Internet zu surfen. Denn wie an diesem Beispiel zu sehen ist, kann auch ein zuverlässiger Anonymisierungsdienst zumindest zeitweise ausgehebelt werden. Und die allgemeine Tendenz zu mehr Überwachung lässt befürchten, dass im Namen der Sicherheit der Datenschutz hintenangestellt wird.