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Editorial: Tarifwerdung im Sommerloch

Virtuelle Freiminuten und irreale Ersparnisse
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Sommerzeit ist Marketingzeit. Die Menschen gehen nicht zur Arbeit, haben also ausreichend Zeit zum Shopping. Die Politik macht Pause, die Medien haben weniger ernste Themen als sonst. So bietet sich die Gelegenheit, über aktuelle Schnäppchen zu schreiben. Kein Wunder, dass sich die Mobilfunker gegenseitig mit Aktionen über- bzw. unterbieten.

Zum Beispiel der günstige Telly 100 von T-Mobile. Für nur 25 Euro Grundgebühr bekommt man hier keine 10, 20, 50, nein, sogar volle 100 Freiminuten. Und wenn man diese doch einmal verbraucht, greift automatisch der günstige Tarif Telly Active, wie die T-Mobile-Homepage verkündet. Das klingt doch nach einem attraktiven Angebot.

Wenn man genauer hinschaut, kommen schnell Zweifel auf: Gerade die besonders teuren Telefonate in Fremd- und ausländische Netze werden mit den Inklusivminuten nicht abgedeckt. Eventuell nicht verbrauchte Minuten verfallen am Monatsende. Wer nachrechnet, stellt zudem folgendes fest: Telly 100 kostet 15 Euro mehr Grundgebühr als Telly Active. Also kostet jede "Freiminute" faktisch 15 Cent. Im City-Bereich oder am Wochenende kosten Festnetztelefonate im Telly Active jedoch nur 9 Cent. Hier sind die Inklusivminuten des Telly 100 sogar teurer, als der reguläre Telly Active.

Darüber hinaus fragten wir uns in der Redaktion, was gilt, wenn die Inklusivminuten des Telly 100 verbraucht sind: Kann wenigstens danach die günstige City-Option genutzt werden? Die Webseite von T-Mobile und auch die Presseerklärung zum Tarif gaben keine klare Antwort darauf. Zwar hieß es, dass außerhalb der Freiminuten die Konditionen des Telly Active gelten. Aber sonst werden doch City- und Local-Option immer explizit als Vorteil in den Preislisten dargestellt. Dieses Mal aber nicht. Auf Nachfrage bei der Pressestelle dauerte es ebenfalls ungewöhnlich lange, bis man uns bestätigte, dass die beiden Optionen nutzbar seien. Inzwischen ist auch die Website diesbezüglich etwas klarer geworden.

Liest man die Telly-Active-Preisliste noch einmal genau, fallen zwei weitere Optionen auf: "More Talk" und "More Weekend". Beide bieten je 100 Inklusivminuten, also zusammen doppelt so viele, wie beim Telly 100. Dafür kosten die beiden Optionen auch weniger, nämlich zusammen mit dem Telly Active 24,85 Euro, verglichen mit 25 Euro für Telly 100. Zwar sind die Nutzungsbedingungen für More Talk und More Weekend kompliziert, und es werden auch nur Festnetzgespräche vergünstigt. Dennoch verwundert es, warum der reguläre Tarif mit regulären Zusatzoptionen bei bestimmten Gesprächsverhalten doppelt so viele Freiminuten bietet, wie der Aktionstarif.

So entsteht der Eindruck, dass der Sondertarif als Sommertarif mit dem Ziel entwickelt wurde, aufzufallen. Durch die zeitliche Befristung soll ein Gefühl der Knappheit erweckt werden, was zusätzliche Kaufanreize schafft. Ob der Kunde wirklich Geld spart und das Tarifmodell ausgereift ist, dürfte hingegen eher nebensächlich sein.

Nur für Mitglieder

Vodafone wirbt derzeit mit der "Happy Hour", während der man zum halben Preis telefonieren kann. Löblich: Die Aktion gilt auch für das ansonsten sauteure Roaming in vielen westeuropäischen Ländern. Wer abends seine Lieben zu Hause anrufen will, kann damit richtig Geld sparen. Doch warum muss man sich separat für die Aktion anmelden und freischalten lassen? Hat man bei Vodafone Angst vor der eigenen Rabatt-Aktion? Frei getreu dem Motto: Wer sich nicht informiert, ist selber schuld, wenn er zu teuer telefoniert.

Handy-Akku-Killer

Aus dem Vollen schöpft E-Plus: Volle 1000 zusätzliche Freiminuten bekommt man bei den Aktionstarifen monatlich für nur wenige Euros extra. Der Haken: Die Minuten gelten nur am Wochenende, und wieder mal nicht in Fremdnetze oder ins Ausland. Eine Übertragung in den nächsten Abrechnungszeitraum ist ebenfalls nicht möglich. Auch wieder Unklarheiten bei der Abrechnungsfrage: Wenn man am Wochenende telefoniert, wird dieses zunächst auf die "normalen" Inklusivminuten angerechnet (wodurch man dann u.U. Inklusivminuten zur Hauptzeit verliert), oder zunächst auf das Sonderkontingent? Auch hier mussten wir mehrfach bei der Pressestelle nachhaken, bis klar war, dass die für den Kunden günstigere Abrechnungsvariante gilt, bei der zunächst das Sonderkontingent belastet wird.

Der effektive Minutenpreis bei voller Ausnutzung des Kontingents beträgt nur 0,5 Cent. Kaum zu glauben, dass E-Plus tatsächlich zu diesem Preis Gespräche verkaufen will. Aber vermutlich spekuliert man auf ein "normales" Telefonierverhalten der Kunden: Wer alle 1000 Freiminuten ausnutzen wollte, müsste jeden Samstag und jeden Sonntag jeweils zwei Stunden mit dem Handy telefonieren. Die meisten Menschen haben aber eine etwas andere Freizeitgestaltung, so dass die reale Nutzung vermutlich bei 100 bis 200 Minuten im Monat liegt. Bei den restlichen 800 bis 900 Minuten handelt es sich damit faktisch um "virtuelle Freiminuten".