Ablösung

Sir Christopher kehrt Vodafone den Rücken

Gent machte britisches Unternehmen zum Weltmarktführer; Arun Sarin wird Nachfolger
Von AFP / Hayo Lücke

Fürs Altenteil ist Chris Gent mit 55 Jahren zu jung. Nach seinem Abgang als Chef des britischen Mobilfunkkonzerns Vodafone wird der umtriebige Brite mit den dicken Brillengläsern daher ab September in der Führungsetage der US-Investmentbank Lehman Brothers [Link entfernt] Dienst tun. Sechseinhalb Jahre lang hat Gent Vodafone geführt und über eine beispiellose Serie von Übernahmen zum weltgrößten Anbieter von Mobilfunkdiensten gemacht.

Früher als andere erkannte Gent das Potenzial der örtlich unbeschränkten Kommunikation. Schon in den 60er Jahren soll er Kollegen mit gerade 19 Jahren erklärt haben, dass dort die Zukunft liegt. 1985 stieg er dann beim Mischkonzern Racal ein und übernahm einen Vorstandsposten bei der neu gegründeten Mobilfunktochter Vodafone. 1997 wurde Gent dort zum Chef gekürt.

Sein unstillbarer Übernahmehunger zeigte sich zwei Jahre danach. Im Januar 1999 lieferte er sich ein Bietergefecht mit Bell Atlantic um die US-Mobilfunkfirma Airtouch. Gent bot rund 62 Milliarden Euro und obsiegte. Im November 1999 dann der nächste Coup. Als der Mannesmann-Konzern in Deutschland ein Kaufangebot ablehnte, ließ sich "Chris, der Hai", wie er in der Presse bald genannt wurde, auf eine mehrmonatige Übernahmeschlacht ein und machte das Rennen für einen Rekordpreis von 179 Milliarden Euro. Nach einer Einkaufstour in Asien steht Vodafone heute mit rund 123 Millionen Kunden weltweit an der Spitze.

Übernahmen wurden stets mit Vodafone-Aktien finanziert

Schwarzer Fleck in der Erfolgsserie des mittlerweile geadelten Sir Christopher: 2001 musste Vodafone den größten Verlust in der britischen Firmengeschichte vermelden - vor Steuern 13,5 Milliarden Pfund. Grund waren Wertberichtigungen in zweistelliger Milliardenhöhe bei den vielfach zu teuer eingekauften Auslandsbeteiligungen.

Während zahlreiche seiner Kollegen nach ähnlich hohen Verlusten den Laufpass bekamen, blieb Gent am Ruder. Denn ein branchentypisches Problem hatte er nicht: eine hohe Verschuldung. Übernahmen bezahlte er stets mit den durch den Telekom-Boom aufgeblähten Vodafone-Aktien. Gent erkannte zuletzt auch, dass sich die Zeiten gewandelt haben. Mitte 2001 gab er deshalb das Motto aus, Vodafone müsse von innen heraus wachsen statt weiter zuzukaufen. Ganz durchhalten konnte Gent das nicht. Im vergangenen Jahr versuchte er Vivendi Universal im Kampf um den französischen Mobilfunkanbieter SFR auszubooten, musste sich aber mit einer Minderheitsbeteiligung begnügen.

Dass kurz darauf die Rücktrittsankündigung kam, war wohl eher Zufall. Was Gent dazu trieb, bleibt der Fachwelt bis heute ein Rätsel. Jedenfalls kehrt er mit dem Wechsel zu Lehman Brothers zu seinen Wurzeln zurück. Am Anfang seiner Karriere hatte er eine Lehre bei der National Westminster Bank absolviert - daher wohl seine Vorliebe für die in britischen Bankerkreisen verbreiteten Nadelstreifenanzüge. Die kann der in zweiter Ehe verheiratete Vater von vier Kindern nun wieder tragen, ohne den Spott von Kollegen aus der Telekom-Branche auf sich zu ziehen.

Nachfolger darf nicht per SMS oder E-Mail gefeuert werden

Die Nachfolge von Chris Gent tritt Arun Sarin an, der lange im Schatten Gents stand. Der 49-Jährige tritt in der Vodafone-Zentrale am Londoner Stadtrand ein anspruchsvolles Amt an - die Materie ist ihm aber seit langem vertraut. Der gebürtige Inder mit den ergrauenden Haaren ist seit Mitte der 80er Jahre in der Branche tätig. Im Vodafone-Chefsessel wird Sarin nun einige gewichtige Dossiers von seinem hoch angesehenen Vorgänger übernehmen. Die Zeit der Übernahmen ist in der Branche vorüber. Nun geht es darum, profitabler zu werden und das Maximum aus dem Kundenstamm und aus den teuer eingekauften UMTS-Mobilfunklizenzen herauszuholen.

Keine leichte Aufgabe, und Sarin muss nun beweisen, dass er sein Basisgehalt von 1,1 Millionen Pfund (1,6 Millionen Euro) auch wert ist. Die britische Presse berichtet, Sarin habe sich in seinem Arbeitsvertrag gegen eine allzu ruppige Kündigung nach Branchenmanier abgesichert: ein Rausschmiss darf demnach weder per SMS noch per E-Mail erfolgen.