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BIBALUR und *knuddelknutsch*

Die SMS-Sprache kennt keine Grenzen; 70 Millionen SMS pro Tag
Von dpa /

Sie tun es ungeniert und überall - im Bus, auf dem Schulhof und im Supermarkt. Selbst auf der Straße tauschen sie ihre geheimnisvollen Botschaften aus: "WZTSD?:-@" -"KO15MISPÄ;-)" - "OK WWW". Ein alltäglicher Dialog zwischen zwei Handy-Nutzern über SMS - nur ein wenig verschlüsselt. Übersetzt heißt der Buchstabenwust: "Wo zum Teufel steckst Du?" (erbost) - "Komme 15 Minuten später." (verschmitzt grinsend) - "Okay, wir werden warten."

Die Mehrheit der 55 Millionen Handy-Besitzer in Deutschland macht mit beim "SMSen" oder "Simsen": Fast 70 Millionen Kurznachrichten jagen sie täglich über die Mobilfunknetze - insgesamt zwölf Milliarden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres, hat der Mobilfunkverband GSM Association in London errechnet. Damit sind die Bundesbürger europäische Spitzenreiter. Doch da besonders eifrigen Schreibern beim mühsamen Tastendrücken schnell die Fingerkuppen schmerzen und nach 160 Zeichen sowieso Schluss ist, hat sich eine Hochgeschwindigkeitssprache entwickelt, die bei Uneingeweihten nur Fragezeichen hinterlässt. Ein ganzer Satz wie "Bin bald im Urlaub" schrumpft dann zu der kurzen und komischen Buchstabenkolonne "BIBALUR".

Doch damit nicht genug. Um der digitalen Botschaft etwas Gefühl einzuhauchen, fügen ihr die meist jugendlichen Sprachakrobaten die aus den Internet-Chats bekannten "Emoticons" hinzu, hat Peter Schlobinski, Germanistik-Professor an der Universität Hannover, in einer Studie über SMS-Kommunikation festgestellt. Zu den gängigsten Emoticons gehören etwa Gesichter wie :-} (strahlend) und :'-( (weinend). "Häufig sind auch Kürzel für Emotionsäußerungen anzutreffen, wie *fg* (frech grinsen) oder *lol* (engl.: laughing out loud - lauthals lachen)", ergänzt Schlobinski. Die ebenfalls den Chats entlehnten Verniedlichungsformen wie *knuddelknutsch* oder *kaffetrink* rundeten den SMS-Jargon ab.

Die vor allem von Teenagern benutzte Code-Sprache ist demnach mehr als zweckmäßige Kurzschreiberei. "Die Jugendlichen grenzen sich so bewusst von älteren Menschen ab und identifizieren sich als Gruppe", sagt Peter Wippermann, Geschäftsführer des Trendbüros in Hamburg. Kindern mache es Freude, wenn ihre Eltern die SMS-Sprache nicht verstehen. "Die denken dann: Ich bin zwar kleiner, aber schlauer als Ihr", so der Trendforscher. Überhaupt gehe es den Jugendlichen beim "Simsen" weniger um echte Inhalte als um die Pflege von Netzwerken. "Man teilt sich mit, ohne dass man wirklich etwas zu sagen hat", sagt Wippermann. Das geschehe etwa mit einem humorvollen Beitrag zum Alltag oder einer elektronischen Liebkosung.

Im Gegensatz zur Generation der Schüler nutzen erwachsene Handy-Nutzer das Medium SMS zweckmäßiger, aber seltener. So hat eine Befragung des Online-Forschungsinstituts Speedfacts in Frankfurt/Main ergeben, dass nur 20 Prozent der über 30-Jährigen mehr als zwei SMS pro Tag verschicken - im Gegensatz zu 47 Prozent der Jugendlichen unter 20 Jahren. "Bei den Erwachsenen steht der Informationsaustausch im Vordergrund", sagt Trendforscher Wippermann. Der ernstere Umgang mit dem Kurznachrichtendienst zeigt sich laut Germanistik-Professor Schlobinski zudem darin, "dass die über 30-Jährigen eher die Grammatik befolgen und Satzzeichen setzen".

Bedenken, dass sich die Schüler durch das bunte Kauderwelsch aus Abkürzungen, Anglizismen und Verniedlichungen ihren Sprachschatz verderben, hegen Experten nicht. "Jugendliche haben in ihren Wortspielen Narrenfreiheit", sagt Walter Krämer vom Verein Deutsche Sprache (VDS) in Dortmund. "Grund zur Panik" gebe es daher nicht, findet der Sprachhüter. "Kinder und Jugendliche haben doch schon immer in Abkürzungen oder Geheimsprachen geredet", gibt auch Ludger Jochmann zu bedenken. Der Kinderbuchautor aus Wesel am Niederrhein findet es gut, wenn sich Jugendliche überhaupt schreiben: "SMS ist für die junge Generation moderne Lyrik", sagt Jochmann.

Doch die in ihrer Schlichtheit so populären SMS sollen bald multimedial aufgepeppt werden, wenn es nach dem Willen der Handy-Hersteller geht. Gemeinsam arbeiten unter anderem Siemens, Motorola und Nokia an einem "Multimedia Messaging Service" (MMS), der die Textnachrichten um Videoclips, Musikdateien und Fotos erweitern soll.

Auch der 160-Zeichen-Purismus der SMS wird allmählich Vergangenheit. So hat Nokia bereits Handys im Angebot, "mit denen die Nutzer über SMS chatten können wie im Internet", sagt Nina Lenders, Sprecherin von Nokia Deutschland in Düsseldorf. "Ob 350 Zeichen oder mehr - dem Schreiben sind keine Grenzen gesetzt." Die SMS-Kultur samt ihrer geheimnisvollen Code-Sprache könnte dadurch Schaden nehmen, glaubt Trendforscher Wippermann: "Die SMS verliert an Reiz, wenn sie zu perfekt wird. Gerade die Begrenzung macht sie doch so symphatisch."