sicher?

Editorial: Wie schützen?

Auswirkung der neuen Terror-Dimension auf die Telekommunikation
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Die verheerenden Terror-Anschläge in New York und Washington haben neben den sichtbaren Spuren tiefe Verunsicherung hinterlassen. "Drohen weitere Anschläge?" geistert als Frage durch die Medien und die Köpfe. Von den Taliban gibt es bereits eine offene Drohung gegen die Nachbarländer, sollten diese die USA bei einem Angriff gegen die Taliban bzw. gegen Osama Bin Laden unterstützen. Eine erste Bombe ist in Pakistan bereits explodiert. Aber nicht nur Bin Laden ist gefährlich, auch andere Terroristen könnten auf einen Angriff mit neuem Terror antworten. Besserer Zivilschutz ist also angesagt.

Funktionierende Telekommunikationsnetze bewahrten die USA am Dienstag mit ziemlicher Sicherheit vor noch mehr Opfern. Denn das vierte entführte Passagierflugzeug raste nicht in ein Gebäude, sondern stürzte bei Pittsburgh über unbesiedeltem Gebiet ab. Manche Quellen sprechen davon, dass das Flugzeug von der Air Force abgeschossen wurde, einem Schritt, den sie nur durchführen konnte, da sie über Telefon, Fernsehen und/oder E-Mail von den vorherigen Attentaten erfahren hat. Den endgültigen Einsatzbefehl erhielten die Air-Force-Piloten vermutlich über Funk, falls diese Variante stimmt.

Andere Quellen sagen hingegen aus, dass Passagiere an Bord des vierten entführten Flugzeugs über Handy ihre Angehörigen anriefen und von der Entführung erzählten. Von den Angehörigen erfuhren dann die Passagiere, das andere entführte Flugzeuge in gezielten Selbstmord-Attacken in das World Trade Center gestürzt waren. In der Gewissheit, nichts zu verlieren zu haben, planten die Passagiere die Entführer zu überwältigen und teilten das auch den Angehörigen mit. Vermutlich kam es kurz darauf zu einem Handgemenge im Cockpit, oder die Entführer zündeten eine Bombe, was zum Absturz führte. Zwar hatten es die Passagiere damit leider nicht geschafft, ihr eigenes Leben zu retten, aber es gelang ihnen immerhin, das Leben anderer unschuldiger Menschen zu bewahren, die sich am geplanten Einschlagsort (Weißes Haus oder Capitol) aufgehalten hatten. Damit wurde das Handy direkt zum Lebensretter.

Egal, welche der beiden Versionen der Geschichte sich letztendlich als die richtige herausstellt: Funktionierende Telekommunikationsnetze haben einen noch schlimmeren Ausgang verhindert. Dieses gilt übrigens auch im alltäglichen Leben: Bei den Rettungsleitstellen der großen Städte gehen jeweils täglich hunderte von Notrufen ein. In vielen Fällen erreichen die herbeigerufenen Notärzte rechtzeitig genug den Verletzten oder Kranken, um Leben zu retten. In anderen Fällen kann die Polizei Anschläge verhindern oder zumindest die Straftäter festnehmen.

Auch in vielen anderen Bereichen des Lebens verlassen wir uns auf funktionierende Tk-Netze. Verkehrstelematik-Systeme reduzieren auf Autobahnen die Geschwindigkeit bei dichtem Verkehr und warnen vor Stau. Die Wetterdienste informieren Luft- und Schifffahrt bei schlechtem Wetter.

Entsprechend desaströs könnten sich Anschläge auf Tk-Netze auswirken: Retter können nicht mehr zum Unfallort eilen, weil Notrufe nicht mehr durchkommen. Warnungen erreichen nicht mehr die Adressaten. Bei längerem Ausfall ist sogar eine Versorgungskrise zu befürchten, wenn Warenbestellungen von Groß- und Einzelhändlern nicht mehr durchkommen, oder Lkw-Fahrer keine Aufträge mehr von den Zentralen erhalten.

Anschläge auf Tk-Kabelnetze hat es schon gegeben - zum Beispiel 1996 am Frankfurter Flughafen von einer Gruppe namens K.A.B.E.L.S.C.H.N.I.T.T., siehe den Verfassungsschutzbericht von 1996 (Kapitel II, Abschnitt 2.3.1).

Zwar machen sich Telefonfirmen erhebliche Gedanken bezüglich der Sicherheit und Zuverlässigkeit ihrer Kabelnetze, zum Beispiel durch Ringstrukturen und Zweiwegeführung. Doch sind diese Maßnahmen zur Zeit vor allem auf die Abwehr von zufällig und singulär auftretenden Störungen ausgelegt. Typische Szenarien sind, dass bei Bauarbeiten ein Kabel durchtrennt wird, oder eine elektronische Komponente (Switch, Transceiver, Crossconnect, Multiplexer, Router usw.) ausfällt. In diesen Fällen wird dann auf den Ersatzweg umgeschaltet, während der Ausfall möglichst schnell repariert wird.

Für die Abwehr von Sabotage- und Gewaltakten reicht dieses Denken in "single point of failures" hingegen nicht aus. Wer ein Kabel durchtrennen kann, schafft das auch mit dem Kabel des Alternativweges. Schlimmer noch: In den Städten sind die Kanaldeckel der Telefonfirmen meist mit dem Firmennamen beschriftet (COLT, MCI/Worldcom, Global Metro Networks, Level 3, GTS, um nur einige Beispiele zu nennen). Prinzipskizzen der Netzwerke finden sich oft auf den jeweiligen Homepages. Hier sollten die Firmen im eigenen Interesse ihre Kommunikationspolitik ändern.

In einem weiteren Bereich werden die Terrorakte der letzten Woche ebenfalls Einfluss auf die Telekommunikation nehmen: Großflächige Abhörmaßnahmen, um Geheimdienste mit Material zu versorgen und Terroristen zu identifizieren, dürften weiter zunehmen. So fordert nicht nur die Gewerkschaft der Polizei Lockerungen beim Datenschutz.