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Handys müssen draußen bleiben

Der neue Kulturkampf: Handymuffel fordern Handy-freie Zonen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Selten ging es in Deutschland so "musikalisch" zu: Aus Handtaschen piepsen Reggae-Takte, in den Sakkos klingelt Beethovens "Ode an die Freude". Mit der Zahl der Handys wächst auch die Auswahl der Klingeltöne - doch nur selten zur Freude der Mitmenschen. So erobert ein kleines Verbotsschild immer öfter Bahnen und Bars, Kinos und Kirchen. Der rote Kreis mit dem durchgestrichenen Handy signalisiert allen Mobiltelefonierern: "Achtung - handyfreie Zone".

Leicht nachzuvollziehen ist dieses Gebot in Opernhäusern, Theatern und Kinos: "Bei den meisten Besuchern ist es natürlich im Bewusstsein, das Handy auszuschalten", sagt Arne Schmidt von der Kino-Kette Cinemaxx in Hamburg. Sicherheitshalber weisen an den Türen der Kinosäle Schilder auf das Verbot hin - doch bisweilen lassen Unverbesserliche ihrem Telefonier- oder SMS-Drang auch während der Vorstellung freien Lauf: "Wer sich gestört fühlt, sollte das Kinopersonal benachrichtigen", rät Schmidt. Im Foyer dagegen sei das Telefonieren erlaubt.

Auch in Gaststätten und Hotels wird das Mobiltelefon nicht mehr gerne gesehen. "Wir bitten unsere Gäste, ihr Handy im Frühstücksraum oder im Restaurant auszuschalten", sagt Susanne Semmroth, Sprecherin des Atlantic Hotels in Hamburg. Diese Praxis sei mittlerweile in vielen Restaurants üblich. Verpönt sei nicht etwa das Telefonieren an sich: "Was stört, ist das ständige Piepsen, Klingen und Bimmeln." Wer unbedingt erreichbar sein muss, für den hält das Atlantic-Hotel einen besonderen Service bereit: "Das Handy kann beim Personal abgegeben werden, bei einem Anruf bringen wir es dem Besitzer."

Rigoros gegen die kleinen Klingler spricht sich auch Hans-Jörg Ott aus. In der Gemeinde des 36-jährigen Pfarrers in Birnbach im Westerwald gilt seit Mai ein strenges Handy-Verbot, das auch überregional für Aufsehen sorgte. "Sogar im Gottesdienst sind die Leute rausgegangen, um zu telefonieren", begründet der evangelische Geistliche diese Maßnahme. Bei Jugendfreizeiten seien die Teilnehmer oft "gar nicht richtig da" gewesen, denn via SMS standen sie immer im Kontakt mit Familie oder Freunden zu Hause.

Als dann während einer Beerdigung das Handy eines Besuchers klingelte, war für Pfarrer und Kirchenvorstand das Maß voll. "Alle kirchlichen Veranstaltungen sind bei uns seitdem handyfrei", so Ott. Die Erfahrungen seien positiv, allerdings falle besonders Jugendlichen der Verzicht auf das mobile Telefon schwer.

Doch nicht nur Pädagogik und Etikette sprechen an vielen Orten gegen die Handy-Nutzung - in Krankenhäusern etwa spielen auch Sicherheitsbedenken eine Rolle. "In der Nähe von Intensivstationen und in einzelnen OP-Bereichen herrscht ein generelles Handyverbot", sagt Christa Möller, Sprecherin der medizinischen Hochschule Hannover. Die Funkwellen stören Monitore und Maschinen, verfälschen Untersuchungsergebnisse und können somit lebensbedrohlich sein.

Aus diesem Grund sind auch in Flugzeugen keine Handys zugelassen. "Die Bordelektronik wird gestört", erläutert Michael Lamberty, Pressesprecher der Lufthansa in Frankfurt/Main. Während des gesamten Aufenthaltes an Bord müsse das Mobiltelefon daher komplett ausgeschaltet bleiben. "Sonst versucht das Gerät in jedem Fall, einen Kontakt zur Bodenstation aufzubauen." Die dabei entstehende Strahlung erreiche bis zu zwei Watt und könne die Bordelektronik beeinflussen.

Auch wenn die Lufthansa betont, dass moderne Flugzeuge unanfälliger gegen elektronische Störimpulse sind, wird die Gefahr auch vom Gesetzgeber ernstgenommen: Vor dem Start müsse ausdrücklich auf das Ausschalten der Telefone hingewiesen werden. Bei Zuwiderhandlung drohten im Extremfall bis zu zwei Jahren Haft, so Lamberty.

Das Bedürfnis nach handyfreien Zonen hat mittlerweile auch Hersteller auf den Plan gerufen, die so genannte "Cellular Disabler" anbieten. Derartige Geräte senden auf derselben Frequenz wie der Mobilfunk Signale aus und unterbinden so die Kommunikation des Handys mit dem Netz. Doch in Deutschland sind die Handy-Blocker verboten - aus gutem Grund, heißt es bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in Bonn: "Ein Handy-Blocker ist ein Störsender." Er beeinträchtige die gesamten Frequenzbereiche des Mobilfunks und könne daher nach deutschem Recht nicht zugelassen werden.

Wer von sich aus das lästige Klingeln verhindern, aber dennoch erreichbar bleiben will, sollte sich ein Handy zulegen, dass bei Anrufen nur sanft vibriert. "Meist sind es die hochwertigen Geräte, die alternativ zum Klingeln den Vibrationsalarm bieten", sagt Andrea Vey, Pressesprecherin der Telekom-Tochter T-Mobil in Bonn. Doch auch günstigere Mobiltelefone verfügten inzwischen der Regel über die lautlose Anrufanzeige.

Am wichtigsten ist es jedoch, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann das Telefonieren die anderen stört. "Das muss je nach der Situation entschieden werden", sagt Stephanie Palm, Stilberaterin aus München. "Im Zweifelsfall sollte das Mobiltelefon aus Respekt vor den anderen immer ausgeschaltet werden."