abgehört

Was schützt vor ungebetenen Mithörern?

Unverhältnismäßiger Anstieg von Telefonüberwachungen
Von dpa / Marie-Anne Winter

Mit den wachsenden Möglichkeiten der modernen Telekommunikation wird eine Frage relevant, die sich Telefonierer nur selten stellen, wenn sie am Hörer losplaudern: Wie vertraulich sind die Worte eigentlich? Besonders die drahtlose Kommunikation ist anfällig für ungebetene Mithörer: "Wenn man daheim mit einem analogen Schnurlosgerät telefoniert, muss man bedenken, dass dieses mit einem handelsüblichen Scanner abgehört werden kann", sagt Bernhard Jodeleit, Redakteur des Telekommunikationsmagazins "connect [Link entfernt] " in Stuttgart. Möglich sei dies in einem Umkreis von 50 bis 300 Metern.

Anders sieht es dagegen bei den Handys aus. "Das Abhören von Mobiltelefonen ist für Privat-Personen nicht ohne weiteres machbar", sagt Jodeleit. "Da die Telefongespräche digital und verschlüsselt übertragen werden, wird jemand, der abhören will, normalerweise keine sinnvollen Informationen erhalten."

Doch auch bei den schnurlosen Festnetz-Telefonen ist leicht Abhilfe zu schaffen: "Beim Kauf eines Schnurlostelefons sollte man darauf achten, dass das Gerät mit dem DECT-Standard ausgerüstet ist", rät Sven Mörs, Referent für Telekommunikation und Medien beim Berliner Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht. Die Abkürzung steht für "Digital European (Enhanced) Cordless Telecommunication" und ist der neueste und modernste Standard für schnurlose Telefone. Seine Abhörsicherheit ist vor allem durch die Chiffrierung der Gespräche gewährleistet.

Auch wer einen ISDN-Anschluss sein Eigen nennt, ist nach Ansicht von connect-Redakteur Markus Wölfel ziemlich sicher: "Auch wenn es nicht unmöglich ist, erfordert es doch einen großen Aufwand für eine Privatperson, am ISDN-Telefon zu lauschen." Rechtlich wird das Fernmeldegeheimnis in verschiedenen Gesetzen geschützt, die sich gegenseitig ergänzen: Zunächst steht es unter dem Schutz des Artikel 10 Grundgesetz. Dieser bindet zunächst unmittelbar die staatlichen Stellen und öffentlichen Betreiber von Telekommunikationseinrichtungen.

Genaueres regelt der Paragraf zehn des Fernmeldeanlagengesetzes, der alle Personen und Stellen erfasst, die für den öffentlichen Verkehr bestimmte Fernmeldeanlagen betreiben, beaufsichtigen oder sonst bei ihrem Betrieb tätig sind. Somit gilt er auch für die privaten Betreiber von Netzen und Anbieter von Diensten. Verletzungen des Fernmeldegeheimnisses durch Personen, die beim Betrieb von Fernmeldeanlagen beschäftigt sind, werden gemäß Paragraf 354 Strafgesetzbuch (StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe belegt.

Andere Privatpersonen, die einen Kommunikationsvorgang gezielt oder zufällig mithören, unterliegen zwar nicht diesen Strafandrohungen, unter Umständen kommen jedoch andere Straftatbestände in Betracht, etwa Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (Paragraf 201 StGB) oder Ausspähen von Daten (Paragraf 202 a StGB). Wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf Tonträger aufnimmt oder wer es unbefugt mit einem Abhörgerät abhört, wird gemäß Paragraf 201 StGB bestraft.

Diese Normen greifen allerdings nur ein, sofern nicht eine Erlaubnis zum Lauschen vorliegt: Eine solche haben unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Stellen, etwa bei der Ermittlung von Straftaten. "Um den Strafverfolgungsbehörden die Arbeit zu erleichtern, ist im Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgesehen, dass Betreiber von Telekommunikationsdiensten sogenannte Abhörschnittstellen vorhalten", sagt Peter Büttgen, Leiter Telekommunikations- und Datenschutzrecht beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz in Bonn. "Umgesetzt werden soll diese Norm mittels der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV)."

Obschon das TKG bereits 1997 verabschiedet worden war, entfachte sich in den letzten Monaten ein Streit um den umstrittenen Passus. Am lautesten war der Aufschrei bei den Serviceprovidern. Sie versuchten, durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit die TKÜV zu kippen: "Das TKG sieht nämlich vor, dass die Anbieter diese Schnittstellen auf eigene Kosten einrichten und unterhalten", sagt Büttgen. In Hinsicht auf Mobiltelefone sollen die Ermittler beispielsweise in die Lage versetzt werden, Bewegungsprofile von observierten Personen zu erstellen - das Mobiltelefon würde quasi zum elektronischen Halsband.

"Bei der staatlichen Telefonüberwachung ist eine unselige Entwicklung eingetreten", sagt Strafrechts-Professor Jürgen Welp aus Münster. Die Anzahl der Fälle sei unverhältnismäßig angestiegen: "Waren es in Deutschland 1996 noch 6400 abgehörte Menschen, sind es 1999 schon über 12 600 Zielpersonen gewesen", sagt Welp. "Und das war nicht immer mit dem entsprechenden kriminalistischen Erfolg verbunden."

Das Risiko, sich auch als unbescholtener Bürger in den Maschen der Überwachung zu verfangen, würde nach Welps Auffassung mit deren Einführung massiv ansteigen: Erfahrungen aus den USA zeigten, dass jede Zielperson im Zeitraum der Telefon-Überwachung Kontakt mit über 100 Menschen hatte. "Wenn man zufällig mit einem Straftat-Verdächtigen telefoniert, was schon im normalen Geschäftsverkehr passieren kann, wird man faktisch selbst wie ein Verbrecher behandelt und mitabgehört."

Einen bedeutsamen Unterschied gibt es allerdings: Stellt sich heraus, dass der Verdacht unbegründet gewesen ist, wird der beobachtete Betroffene nachträglich über den Vorgang informiert. Die möglicherweise Dutzenden Personen, mit denen er in dieser Zeit kommuniziert hat, erfahren davon wahrscheinlich nie. "Eine rechtliche Offenbarungspflicht des Staates ihnen gegenüber besteht nicht", so Welp.