Krise

Telekom: Vermögen absichtlich falsch bewertet?

Telekom-Chef Sommer stellt sich der Aktionärskritik; Jahresbilanz soll überprüft werden
Von dpa / Edward Müller

Der drastische Kursverfall der T-Aktie und die Immobilienaffäre sind die Top-Themen auf der Hauptversammlung der Deutschen Telekom an diesem Dienstag in Köln. Auf dem mit Spannung erwarteten Treffen der Anteilseigner muss Vorstandschef Ron Sommer Rede und Antwort stehen. Beobachter erwarten angesichts zahlreicher Gegenanträge eine turbulente Hauptversammlung. Aktionärsvertreter kündigten bereits vor einigen Wochen an, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.

Ein Bericht des ARD-Magazins REPORT sorgte heute für neue Nahrung in dem Streit um ein mögliche Fehlbewertung des Immobilienvermögens der Telekom. Zum 1. Januar 1995 hätten die Immobilien mit 35,7 Milliarden Mark in den Büchern gestanden, obwohl Bewertungsfirmen lediglich ein Vermögen von 31,8 Milliarden ermittelten. Der Unterschiedsbetrag von 3,9 Milliarden Mark sei genau die Summe, mit der die Telekom im Februar dieses Jahres ihre Immobilien überraschend nach unten korrigiert hätte, hieß es in dem Beitrag. Mit dieser Bilanz hätte der Konzern niemals an die Börse gehen dürfen, zitierte REPORT den Bilanzexperten Wilhelm Strobel.

Ein Telekom-Sprecher nannte die Zahlen eine "absurde Rechnerei". Die Immobilienbewertung sei immer stichhaltig gewesen. Es habe keine leichtfertige Bewertung gegeben, sagte auch Aufsichtsratschef Hans- Dietrich Winkhaus in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom Montag. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Telekom-Vorstände zu Gunsten des Unternehmens ausgehen.

Die Wertberichtigung des Immobilienvermögens hatte den Kursverfall der T-Aktie beschleunigt. Aktionärsschützer kritisieren die hohen Vermögensverluste, die die T-Aktionäre einstecken mussten. Seit ihrem Höchststand im Frühjahr vergangenen Jahres von umgerechnet 203,40 Mark 104 Euro) hat die T-Aktie bis heute rund 75 Prozent an Wert verloren.

Dabei gilt das einst als Volksaktie gefeierte Papier als Inbegriff für die neue deutsche Aktienkultur. Millionen von Kleinanlegern kauften T-Aktien. Jetzt ist die Enttäuschung groß. Doch wer vom Beginn des Börsengangs im Jahr 1996 (Ausgabekurs war 14 Euro) bis heute T-Aktien besitzt, hat immer noch eine Rendite von fast 100 Prozent erzielt - im Schnitt 20 Prozent pro Jahr.

Die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf will auf der Hauptversammlung eine Sonderprüfung durchsetzen und den Vorwurf von Bilanzfälschung eingehend untersuchen lassen. Die Telekom lehnt dieses Vorgehen ab und beteuert, stets gewissenhaft und unter Beachtung aller rechtlichen Vorschriften die Bilanzen erstellt zu haben. Ein kleines Zugeständnis gab es aber doch: Die Bilanz 2001 wird ein zweiter Wirtschaftsprüfer testieren.