Dinosaurier

Telegramm: Einst schnell, nun antiquiert

Opfer der modernen Kommunikationsmittel
Von dpa /

Wer noch vor wenigen Jahren Eiliges mitzuteilen hatte, der schickte ein Telegramm. Im Zeitalter von E-Mail, Handy und Fax wirkt diese Kommunikationsform inzwischen antiquiert. Dabei mussten Telegrammboten noch vor gut zehn Jahren Spitzenleistungen bringen, erinnert man sich bei der Deutschen Post.

"Im Jahr 1990 ließen sich telefonische Kontakte über die deutsch-deutsche Grenze nur schwer herstellen", sagt Pressesprecher Uwe Reher von der größten norddeutschen Postverwaltung in Hamburg. "Rasche Verständigung war aber gefragt, das Medium Telegramm erlebte daher eine Hoch-Zeit." In jenem Jahr hätten etwa 18 Millionen Telegramme den Weg zu ihren Empfängern gefunden.

Von jenem Boom ist allerdings kaum noch was zu spüren. Die Zahl der in Deutschland aufgegebenen Telegramme schrumpfte 1999 auf nur noch 600 000. Zum Ende des vergangenen Jahres wurde dann wegen mangelnder Nachfrage sogar die Möglichkeit eingestellt, Telegramme ins Ausland zu verschicken. Umfragen zufolge kennen wohl noch 97 Prozent der Bevölkerung das Telegramm, meint Reher. "Aber viele fragen sich bestimmt, ob es noch existiert."

Die Geschichte des Telegramms hatte Ende des 18. Jahrhunderts begonnen. Die erste Depesche - wie es damals hieß - schickte der Karlsruher Mathematiker Johann Lorenz Boekmann am 22. November 1794 dem Markgrafen Karl-Friedrich von Baden in das wenige Kilometer entfernte Durlach. Dazu benutze er einen optischen Telegraphen: Mit beweglichen Holzbalken, die weit sichtbar auf Türmen oder hohen Gebäuden befestigt waren, konnte eine Art Alphabet gebildet werden. Anlass jener Depesche war der Geburtstag des Grafen. Hundert Jahre später diente der Morseapparat zur Übermittlung der Informationen.

"Heute wird jedes dritte Telegramm als Schmucktelegramm versandt", berichtet Reher. Ob Geburtstag, Hochzeit oder Geburt - ab 29 Mark ist der Glückwunsch per Bote zu haben. In der Rostocker Hauptpost geben Kunden nur noch "etwa ein Telegramm pro Monat auf", schätzt die Angestellte Karin Brüdigam: "Kürzlich war eine ältere Dame hier, die zur Geburt ihres Enkels gratulieren wollte", erinnert sie sich nach längerem Nachdenken. Politiker nutzen die Information über Boten kaum noch. Man schickt Briefe, in eiligen Fällen ein Fax. "Als unsere Wasserspringerin Dörte Lindner in Sydney erfolgreich war, sandte unser Oberbürgermeister ihr ein Fax ins Olympische Dorf", sagt Gisela Gildemeister aus der Rostocker Stadtverwaltung.

Doch selbst im Zeitalter modernster Kommunikationstechnik gibt es noch Situationen, in denen das Telegramm die letzte Rettung ist: Der Rostocker Theologe Martin Rösel zum Beispiel wollte sich in seinem Norwegen-Urlaub mit seinen Eltern treffen, die auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs waren. "Ich hatte keine Telefonnummer und gab daher per Telegramm den Treffpunkt durch", sagt Rösel. Trotz dieses Erfolgs, so meint er, habe ein Telegramm für ihn fast etwas Bedrohendes. Nach Meinung von Post-Sprecher Reher könnte das in der Geschichte begründet liegen: Schließlich hätten Depeschen früher meist dramatische Ereignisse wie Erdbeben, Todesfälle oder Revolutionen angekündigt.

Auch zu DDR-Zeiten wurden viele Telegramme verschickt. Allerdings seien die Informationen nicht immer eindeutig gewesen, erzählt ein junger Rostocker Unternehmer. Ein Bekannter von ihm erhielt einmal von einem russischen Brieffreund ein Telegramm mit dem Wort "Zug" und einer Nummer, mit der er jedoch nichts anfangen konnte. Irgendwann standen zwei Russen vor der Haustür des Freundes. Sie wollten mit der Botschaft kurz und bündig ihre Ankunft in Berlin ankündigen.