Zivilcourage

Mit "fairlink.de" das braune Netz aufknoten

Bundesweites Projekt gegen rechtsextreme Internetseiten
Von dpa / Marie-Anne Winter

Wer im Internet surft, kann schnell auf "braunen Seiten" landen: Unter Hakenkreuz-Emblemen und Frakturschrift verbreiten Rechtsextremisten ungeniert ihre Propaganda. Doch jetzt gibt es Gegenwehr - in dem bundesweiten Projekt "fairlink.de" engagieren sich Jugendliche gegen die Hass-Seiten im Netz. Unterstützt werden sie dabei von der Initiative "Step 21" [Link entfernt] in Hamburg, die von großen Unternehmen wie Bertelsmann, DaimlerChrysler oder Siemens getragen wird und zu der auch Prominente wie Bundespräsident Johannes Rau gehören.

In 21 Teams haben Jugendliche seit September die Aufgabe übernommen, als so genannte Toleranz-Schiedsrichter ihre Erfahrungen mit Rechtsextremismus im Internet festzuhalten. Dabei werden sie von 21 "Coaches" unterstützt, also "Menschen mit Fachkompetenz, die sich den Jugendlichen als wandelndes Archiv zur Verfügung stellen", so der Fernsehmoderator Johannes B. Kerner bei der Vorstellung der Initiative im Berliner Schloss Bellevue.

Step 21 will aus diesen Beobachtungen langfristig eine "Netiquette der Toleranz" erarbeiten. "Allen Verboten zum Trotz werden extremistische Inhalte nicht aus dem Internet verschwinden", sagt Sonja Lahnstein, Geschäftsführerin von Step 21. Auch Jugendliche sollten daher die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Inhalten im Netz suchen. Diese nehmen nach Angaben von Wolfgang Cremer, der die Abteilung Rechtsextremismus beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln leitet, immer mehr zu.

Laut Cremer gab es im Jahr 2000 schon rund 800 deutsche Internetseiten mit rechtsextremem Inhalt - im Jahr davor waren es nur 330, 1996 erst 32. Vom Verächtlichmachen der Demokratie über strafbare Volksverhetzung bis hin zu "Hass-Seiten" mit Mordaufrufen reicht die Palette. "Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass sich da Heißsporne gegenseitig anstacheln", befürchtet Cremer. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann es zu Gewalttaten kommt. Dabei sind die Urheber vor den deutschen Behörden sicher, wenn die Seiten über Server im Ausland laufen.

Thomas Adler von der Suchmaschine Fireball in Hamburg verweist auf das Hausrecht von Anbietern: "Wir können rausschmeissen nach persönlichem Gusto." Dabei bestehe allerdings die Gefahr von Zensur im Web. Den engagierten Jugendlichen bietet er jedoch an, ihm Seiten mit rechtsextremen Inhalten zu melden, die dann aus dem Verzeichnis gestrichen werden können.

Einig sind sich die Jugendlichen, die bei fairlink.de mitmachen, dass Verbote "keinen Zweck haben, wegen des besonderen Reizes des moralisch Verbotenen für Jugendliche", so Robin, der in Mecklenburg-Vorpommern lebt und dort immer wieder mit rechtsextremer Gewalt konfrontiert wird. Ilona aus Bayern fordert eine verstärkte Diskussion über rechtsextreme Hompages in der Schule. Sinnvoll sei auch ein kontrolliertes Surfen mit einer Vertrauensperson: "Die kann dann auf kritische Aspekte aufmerksam machen." Die Schülerin hat damit in ihrem Unterricht gute Erfahrungen gemacht. Schon seit August 2000 bieten 21 namhafte deutsche Medien unter www.Netzgegenrechts.de ein Informationsportal im Internet. Diese Plattform biete "journalistische Information gegen rechte Agitation" sagte Joachim Wehnelt, Redakteur bei der Wochenzeitung "Die Woche" in Hamburg und Sprecher der Initiative. Unter verschiedenen Fragestellungen kann der Surfer Artikel zum Thema Rechtsextremismus finden. Dies sei die besondere Kompetenz der Medien, sagt Wehnelt. "Früher hieß es immer: 'Das haben wir nicht gewusst.' Wir wollen diesem vorgeblichen Mangel an Informationen entgegen wirken. Verzerrte Zahlen und Bilder lassen sich vor diesem Hintergrund leichter entzaubern."

Zivilcourage im Internet will auch die Organisation "Webring Aktion Zivilcourage" zeigen. Überwiegend Privatleute haben ihre Seiten zu den Themen Gewalt, Rechtsextremismus und Menschenrechtsverletzungen in einem Webring zusammengeschlossen. In einem Forum werden ganz unterschiedliche Beiträge diskutiert, die sich mit dem "Nicht-Wegschauen" und dem Einmischen bei Gewalt beschäftigen.

Die jugendlichen Surfer von fairlink.de ergänzen die Internet-Initiativen gegen Rechtsextremismus, um die hässlichen Seiten des weltweiten Netzes ins Leere laufen zu lassen. "Jugendliche müssen lernen, warum Ausländerfeindlichkeit dumm ist, nicht dass sie dumm ist", sagt Ellen aus Westfalen. Doch trotz aller Aufrufe zur Zivilcourage lassen die Teilnehmer an fairlink.de Vorsicht walten: Ihren Nachnamen wollen sie nicht veröffentlicht sehen.