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UMTS Pleite in Frankreich: Hintergründe

Lustlose Bewerber entzaubern in Paris das Kürzel UMTS
Von dpa / Matthias Maetsch

Heute schlägt für Frankreichs Telekommunikations-Branche die Stunde der Wahrheit. Bis zum Mittag müssen Interessenten für eine der vier zu vergebenden UMTS-Lizenzen im Lande ihr Angebot vorgelegt haben. Als letztes bedeutendes europäisches Land startet Frankreich damit ins Abenteuer der noch gar nicht so recht existierenden, dafür aber schon fast ruinös teuren Multimedia-Handy-Generation. 4,95 Milliarden Euro (9,7 Mrd DM) soll in Frankreich eine Lizenz kosten - mit den erhofften Gesamteinnahmen von 19,8 Milliarden Euro möchte Paris die Rentenkassen aufbessern. Die spektakuläre deutsche Rekordeinnahme von 50 Milliarden Euro aus den UMTS-Auktionen hatten auch an der Seine Begierden geweckt.

Doch Finanzminister Laurent Fabius hat die Rechnung offenbar ohne die Ernüchterung gemacht, die seit einiger Zeit das Kürzel UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) umgibt. Denn die Zeiten, da sich die Anbieter um jeden Preis ins vermeintliche Handy-Eldorado der Zukunft stürzen wollten, sind vorbei. Schon vor Tagen zog sich der potenzielle Kandidat ST3G - ein aus Telefonica (Spanien) und Suez Lyonnaise des Eaux geformtes Konsortium - aus dem Rennen zurück. Auch beim Bewerber Bouygues Telecom (Frankreich) blieben bis zuletzt Zweifel. Paris bleibt damit unter Umständen auf einer, eventuell sogar auf zwei Lizenzen zunächst sitzen: zum ausgelobten Preis meldeten sich bisher nur die Gruppen France Telecom/Orange und SFR/Cegetel.

Die rot-grüne Regierung in Paris kommt damit arg in Bedrängnis. Denn zum einen steht sie vor Einnahme-Ausfällen, zum anderen vor unangenehmen Diskussionen mit den Brüsseler Wettbewerbsbehörden. Denn die hatten sich bei der UMTS-Vergabe eine lebhafte Konkurrenz gewünscht, die in Deutschland zur Versteigerung von sechs und in Großbritannien von fünf Lizenzen geführt hatte. Eine Aufteilung des französischen Marktes unter nur zwei Bewerbern kann aber nicht im Sinne der Wettbewerbshüter sein. An der Seine mehrten sich vor diesem Hintergrund bereits die Stimmen, die eine Verschiebung und Neuauflage der Vergabe fordern. Auch das Vergabesystem gerät in die Kritik.

Denn statt auf Auktionen wie in Deutschland oder Großbritannien setzte Paris auf das spanische Beispiel: den Zuschlag soll im Juni der Kandidat bekommen, der die besten Leistungen bei der neuen Funknorm verspricht. «Beauty contest» - Schönheits-Wettbewerb - hatte der deutsche Telekom-Chef Ron Sommer naserümpfend das Vergabeverfahen gerügt. Auch der Leiter des französischen Forschungs-Instituts CNRS, Elie Cohen, meinte: «Frankreich hat das schlechteste aller Systeme.» Seine Argumentation: Entweder bleibt man in der «Logik des öffentlichen Dienstes», und verteilt die Lizenz wie in Japan oder Finnland gratis, nach Kriterien wie dem schnellsten und dichtesten Ausbau bei der Hochgeschwindigkeits-Übertragungstechnologie.

«Oder man versucht, die Steuereinnahmen durch die Lizenzvergabe bei Auktionen zu maximieren - was Deutschland und Großbritannien taten», kritisierte Cohen vor kurzem vor Journalisten. Tatsache ist jedoch, dass Lizenz-Auktionen heute kaum an die Summen herankämen, die in die deutschen oder britischen Staatssäckel geflossen sind. Denn das Kürzel, das die Fantasie der Telekommunikations-Branche so lange erhitzte, hat nicht mehr den Klang, den es einst hatte. Das wurde auch an der Pariser Börse deutlich. Während Lizenz-Kandidat France Telecom seit März 2000 einen 57-prozentigen Kursschwund seiner Aktie verkraften musste, legte die Aktie von Suez 2,3 Prozent zu, nachdem die Gruppe auf eine Kandidatur verzichtet hatte.