Intifada

Israeli und Palästinenser bekämpfen sich im Internet

Nahost-Konflikt mit anderen Mitteln
Von AFP / Frank Rebenstock

"Israelische Massaker" heißt es in blutigen Lettern, und ein Link bringt den Internet-Nutzer zu Bildern eines angsterfüllten palästinensischen Jungen. Auf einer kontrastierenden Website drängen sich finstere Schilderungen von nächtlichen Feuergefechten in Hebron; die Bilder einer ermordeten jüdischen Lehrerin sind ebenso zu sehen wie Fotos eines angeschossenen israelischen Soldaten. In dem seit dem Ende September andauernden neuen Palästinenseraufstand haben beide Seiten das Internet als ideales Propagandamedium für sich entdeckt. "Jedes Mal wenn etwas passiert, kann eine große Menge von Material in kürzester Zeit verbreitet werden", erklärt der Wissenschaftler Barry Rubin vom Begin-Sadat-Zentrum für Strategische Studien in Jerusalem den Krieg im Netz. "Vor zehn oder sogar noch fünf Jahren war das noch undenkbar. Die Entwicklung hat sich innerhalb des vergangenen Jahres vollzogen."

Die Zahl der Internet-Nutzer in den Palästinensergebieten ist von weniger als 1.000 im Jahr 1994 auf jetzt 50.000 gestiegen. In Israel wird ihre Zahl auf eine Million geschätzt. Die Konfliktparteien haben auf das gestiegene Interesse reagiert: Im israelischen Außenministerium bringt Informationschef Ori Noy die regierungseigene Website [Link entfernt] drei- bis viermal am Tag auf den neuesten Stand. Seit Beginn der gewalttätigen Auseinandersetzungen vor drei Monaten ist die Zahl der täglichen Zugriffe auf die Website von 150.000 auf mehr als 400.000 im Monat gestiegen. Noy beschreibt die Seite als Teil des "Kriegs der Bilder".

Das Ministerium hat eine virtuelle Gedenkstätte für die mehr als 40 israelischen Opfer der Unruhen eingerichtet und verbreitet ihre Fotos und Lebensläufe. "Alle tun so, als ob nur die Palästinenser unter der Gewalt leiden, aber das ist einfach nicht der Fall", erklärt Noy. Gezeigt werden auch Angriffe auf jüdische Siedlungen und Beispiele palästinensischer Hetzaufrufe. "Die internationalen Medien sind oft gegen uns", sagt der Informationschef. "Die Wahrheit ist nicht immer interessant, aber sie ist die Wahrheit, und wir versuchen sie zu zeigen."

Die palästinensische Autonomiebehörde sieht sich durch die Intifada vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Sie musste einsehen, dass die Website der israelischen Regierung bislang besser und moderner ist als ihre eigene. "Die Palästinenser haben Schwierigkeiten, die Medien mit ihren Informationen zu erreichen", sagt Wassim Abdullah, der das laufende Auffrischen der palästinensischen Informationsdienste leitet.

Aus dem stockenden Anlaufen der Medienmaschinerie nach dem Beginn des Aufstandes hat die Autonomiebehörde ihre Lehren gezogen und ist jetzt dabei, ein eigenes Medienzentrum aufzuziehen, das noch im Januar eröffnen soll. Dort sollen künftig rund um die Uhr Sprecher zu erreichen sein. Eine eigene Website [Link entfernt] soll Links zu Ton- und Bildaufnahmen enthalten und Pressekonferenzen live übertragen. Der Auftritt der israelischen Regierung im Internet "hat uns gezeigt, wie all diese Falschinformationen in die Welt gesetzt wurden, und dass uns selbst ein ständiger Gesprächspartner für das Volk fehlt, sagt der Direktor des künftigen Medienzentrums, Saman Churi.

Die Website der Autonomiebehörde enthält auch einen Link auf die Seite des 28-jährigen Studenten Adam Hanieh [Link entfernt] , der ein "Informationszentrum über die Unruhen des Septembers 2000" betreibt. Darauf berichtet er über die laufenden Zusammenstöße, dokumentiert pro-palästinensische Demonstrationen in aller Welt und verbreitet Bitten von Schulen oder Krankenhäusern, die Finanzhilfe suchen. "Durch das Internet können wir unsere Kampagne vorantreiben", meint Hanieh. So sehen das auch die jüdischen Siedler von Hebron, die ebenfalls ihre Website zur Verbreitung ihrer Weltsicht nutzen. "Das Netz ist eine Möglichkeit, den Leuten die Welt mit unseren Augen zu zeigen", sagt Website-Chef David Wilder. "Es ist ein sehr gutes Mittel, weil es keine Zensur gibt. Wir können das verbreiten, was wir als wahr ansehen."