Wandel

Börsenchaos lässt Alarmglocken bei Internetfirmen klingeln

Investoren wollen Potenzial oder Profitabilität sehen
Von AFP / Christopher Paun

Nach der Achterbahnfahrt an der US-Hochtechnologiebörse Nasdaq klingeln bei den Internetfirmen die Alarmglocken: Wer Kapital braucht, wird künftig sein Potenzial oder seine Profitabilität unter Beweis stellen müssen, sagen die Finanzexperten im Silicon Valley, dem Computermekka der USA, voraus. Die Zeiten, in denen das Geld jedem Unternehmen hinterher geworfen wurde, das einen Punkt und das Wörtchen "com" im Namen trug, seien vorbei, meint der Chef der erfolgreichen Internet-Marketing-Firma ClickAction, Gregory Slayton. Aus seiner Sicht hat die "Flucht in die Qualität" begonnen.

Dass die Goldgräberstimmung in der Web-Welt vorbei sein könnte, lässt sich auch aus den Börsendaten ablesen: Am Dienstag stand der Nasdaq-Index zeitweilig fast 28 Prozent unter seinem Höchststand vom 10. März. Zu Börsenschluss hatte er gegenüber dem Rekord immerhin 18 Prozent verloren. Auf zwölf Monate gesehen lag der Index allerdings noch 62 Prozent im Plus. Starwerte, wie der Netzwerkspezialist Cisco, überdauerten den Sturm zunächst in guter Verfassung. Auch Yahoo, E-Bay und Amazon.com schlossen am Dienstagabend positiv, am Mittwoch sah es dann zunächst nicht mehr ganz so gut aus.

Internetfirmen mit wenig überzeugendem Potenzial müssen indes mit einer Durststrecke rechnen, die manche von ihnen nicht überleben dürften. "Viele der Banken und jeder in San Francisco und im Silicon Valley, der den Durchblick hat, wird einen Laden genau überprüfen, bevor er investiert", sagt Leslie O'Neil von der Risikokapitalgesellschaft Crossroads Venture. Neugründungen, die zu lange damit gewartet haben, sich Kapital zu verschaffen, geraten in eine missliche Lage. "Wem jetzt das Geld ausgeht, der ist zu bedauern", meint Slayton. Seine Firma ClickAction verlor am Dienstag zwar ein paar Prozent, doch sie kann sich immer noch mit einer Wertsteigerung von 2500 Prozent innerhalb von zwei Jahren brüsten.

Für Slayton ist entscheidend, dass eine Neugründung über ein fähiges Management verfügt, das den Finanzmärkten gedanklich voraus ist. Je näher die Illiquidität rücke, desto geringer werde die Chance, sich Geld zu beschaffen. Notkredite in letzter Minute werden im Silicon Valley auch "Todesspiralen" genannt und nur zu kostspieligen Bedingungen eingeräumt. Manche Unternehmer pumpten lieber Freunde oder Angehörige an, erzählt Slayton.

Einige Risiko-Anleger sind nach Einschätzung von John Roberts von der Investmentbank A.G. Edwards in San Jose bereit, Bares in sogenannte Dot.coms zu versenken, um ihre Erst-Investitionen zu retten. Andere Optionen für die Geldbeschaffung sind eine Fusion mit einem anderen Anbieter oder der Börsengang für noch in privater Hand befindliche Gesellschaften. Letztere Möglichkeit leidet allerdings unter dem Kurschaos an den US-Börsen. Wer es sich leisten konnte, verschob deshalb seinen Börsengang oder sein zweites oder drittes Aktienangebot.

Hochtechnologiefirmen, die auch nach Jahren noch nicht profitabel sind, versuchen die Geldgeber durch Wachstum zu beschwichtigen. Als Beispiel nennt O'Neil die Übernahme des Werkzeughändlers Toolcrib.com durch den Online-Buchhändler Amazon.com. `Jedes Mal, wenn Amazon neues Geld braucht, versuchen sie den Markt mit Neuheiten zu beeindrucken. Solange sie das machen, sehen die Analysten es als Wachstum an."

Auf der Suche nach Kapital zeigen die Firmen laut Roberts durchaus Kreativität. Aber ohne Wert gebe es kein Geld, so dass einige Unternehmungen am Straßenrand liegen bleiben dürften. "Die Märkte werden anspruchsvoller", meint ClickAction-Chef Slayton. "Die Spreu wird zunehmend vom Weizen getrennt, und das ist gut so."